Kultur: Köpfe und Körper
Katharina Kretschmer und Cathleen Meier stellen in der Galerie am Neuen Palais Skulpturen und Bilder aus
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Katharina Kretschmer und Cathleen Meier stellen in der Galerie am Neuen Palais Skulpturen und Bilder aus Von Götz J. Pfeiffer Augen sind die Spiegel der Seele. Und der Kopf kann als Aushängeschild gelten. Nicht umsonst spricht man von Charakterköpfen. Auf den Menschen und seine gegenständliche Darstellung haben sich die beiden jungen Künstlerinnen Katharina Kretschmer und Cathleen Meier konzentriert. Zu einer materialreichen Ausstellung in der Galerie am Neuen Palais sind ihre Bilder, Druckgrafiken und Skulpturen versammelt. Die Malerinnen verbindet die gemeinsame Studienzeit während der ersten Hälfte der 90er Jahre an der Hochschule für Kunst und Design auf Burg Giebichenstein, wenn auch bei verschiedenen Lehrern. Die 1971 in Dresden geborene Katharina Kretschmer setzte ihre Studien in Dresden fort und stellte seit 1994 in nationalem Rahmen, auch schon in den herbstlichen Gruppenausstellungen der Galerie am Neuen Palais aus. Ihre nun gezeigten Arbeiten sind in den letzten Jahren entstanden und bei ähnlichen Motiven, Kompositionen und grafisch betonten Darstellungen auf den Menschen konzentriert, ob allein, in kleinen Gruppen oder bei Szenen nach Vorlagen aus der Literatur. Doch Kretschmers Figuren stehen meist verschlossen vor dem Betrachter. Die „Madonna VI“ in düsteren Tempera- und Acrylfarben schlägt die Augen nieder und hält den Blick gesenkt. Der kleine Junge in dunklem Pastell „Allein“ hat die Arme vor den Leib geschlagen und schaut den Betrachter keineswegs Hilfe suchend aus großen Augen an, sondern ist in sich gekehrt. Auch die gelenkige Frau, die sich als „Junge Weide“ in einem imaginären Wind verbiegt, ist ganz in ihr turnerisches Tun vertieft. Selbst wenn Kretschmers Figuren den Betrachter anschauen wie die „Madonna III“, die mit Ohrringen, grell geschminkten Lippen und Zigarette eher an Goyas verführerische Majas erinnert, bleiben sie bei sich selbst. Das kann man als Qualität auffassen. Unmittelbar wird den Besucher das Gefühl beschleichen, die Farb- und besonders Formensprache Kretschmers andernorts schon gesehen zu haben. Der Weg führt kaum 100 Jahre zurück in den deutschen Expressionismus, bei den Bildern zu Otto Müller oder Künstlern der Berliner „Brücke“, angesichts ihrer besten Holzschnitte zu Grafiken Emil Noldes. Solcherlei Maßnehmen ist gerade bei jungen Künstlern keineswegs verwerflich und bei Kretschmer niemals kopierend oder epigonal. Da aber viele Werke des deutschen Expressionismus durch Reproduktionen zum optischen Allgemeingut zählen, ist ihren Arbeiten die Bürde auferlegt, all zu vertraut Geglaubtes vor Augen zu stellen. Zuweilen tragen gerade die Bilder recht schwer daran. Bemerkenswert unter Kretschmers Arbeiten sind die Grafiken. „Die Hure“ und „Kassandra“ erscheinen in den Kaltnadel-Probedrucken frischer und unmittelbarer als in den motivgleichen farbigen Bildern. Auch beweist sich im Vergleich, dass Kretschmers Stärken in der Linie liegen. Sollten sie nicht mehr Grafiken haben – oder warum sind nur so wenige vertreten? Am meisten können ihre Holzschnitte überzeugen, bei denen die Maserung in die Darstellung klug einbezogen ist. Und erscheinen die Figuren auf den Bildern in den Gelenken eher gebrochen als bewegt, beweist die Rückenansicht der sich umwendenden „Brigitte R.“ eine elegante Beweglichkeit. Auf weitere Arbeiten Kretschmers darf man gespannt sein. Die Bildwerke der 1970 in Magdeburg geborenen Cathleen Meier wirken eigenständiger, wenn auch sie der klassischen Moderne mit ihrer gegenständlichen Formensprache und den Motiven durchaus verhaftet sind. Als gesellschaftspolitische Kommentare wirken die Bronze „Ikarus“ durch den Untertitel „In Erinnerung an den Herbst 1989“ und auch die Polyester-Arbeit „NATO (In Erinnerung an die Invasion in Kosovo)“. Der unverschämt hohe Preis von knapp 17000 Euro an letzterer soll wohl signalisieren, dass dieses Unikat unverkäuflich ist. Doch wenn Meier wie beim Bruststück „Der Professor“, dem Kopf „Alter Jude“ oder der unterlebensgroßen „Sitzenden Alten“ mit ihren Figuren und den Preisen Ernst macht, ist sie auch ernst zu nehmen, wenn man keine stilistischen oder motivlichen Novitäten erwartet. Bemerkenswerter sind auch bei ihr die Druckgrafiken. Nicht ohne Bitterkeit und gedankliche Tiefe sind Blätter wie „The game is over“, das im Titel den amerikanischen Präsidenten George W. Bush zitiert, oder „Zwischen Leben und Tod“, auf dem die Lebensspanne zwischen Werden und Vergehen durch eine zerklüftete, anthropomorphe Landschaft führt. Ironisch, dass ihr „Amerika“ ein nackter Mann ist, der sich selber krönt – immer wieder des Königs neue Kleider? Überzeugend auch „Frau, rauchend“ und „Mann“, der dem Bildwerk „Professor“ ähnelt. Und waren es Erfahrungen einer Besetzungscouch, die Meier zu dem Blatt „Chef“ anregten? Ein kräftiger Mann in Schwarz kopuliert mit einer Frau in Weiß auf seinem Schoß. Cathleen Meier scheint noch manche ungeschaffene Werke vor sich zu haben. Man darf gespannt sein und sich mit Schillers „Don Carlos“ denken: „Anders als sonst in Menschenköpfen malt sich in diesen Köpfen die Welt.“ Bis 11. April in der Galerie am Neuen Palais. Mi-Fr 14-18 Uhr, Sa-So 13-18 Uhr. www.galerieoswald.de
Götz J. Pfeiffer
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