
© Manfred Thomas
Kultur: Kunst statt Flimmern – die Zukunft des Kinos
Der Bundeskongress Kommunaler Kinos sondiert in Potsdam die Möglichkeiten der Digitalisierung
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Die Diskussion um die Zukunft des Kinos beginnt mit einem Blick in die Vergangenheit: Zur Eröffnung des 11. Bundeskongresses der Kommunalen Kinos im Filmmuseum Potsdam schauen die Teilnehmer am Freitagabend einen Schwarz-Weiß-Stummfilm, produziert 1924 im Studio Babelsberg, live begleitet an der Kinoorgel des Hauses. Ein Film über die Arbeit der Filmkünstler im goldenen Zeitalter der ersten Großproduktionen. Filme zu produzieren ist nach wie vor ein aufwendiges Geschäft, der Stellenwert des Kinos allerdings hat sich radikal verändert – und das nicht in den vergangenen hundert Jahren, sondern in einer sehr viel engeren Zeitspanne von nicht einmal zwei Dekaden.
„Abschied von gestern #Kinovonmorgen“ heißt das Thema des Kongresses, als dessen Gastgeber am vergangenen Wochenende das Filmmuseum Potsdam fungierte. Der Kinosaal ist gut gefüllt – was vor allem Potsdam und dem Filmmuseum als Austragungsort mit seiner einmaligen Verbindung von Filmuniversität und Kinoarbeit geschuldet sein dürfte. Aber auch das Thema scheint den Betreibern kleinerer Kinos unter den Nägeln zu brennen: Die deutschen Kinos verzeichnen Rekordumsätze, in erster Linie sind dies jedoch die Multiplex-Kinos, vor allem aufgrund von Blockbustern, meist US-Produktionen. Kinos, die für Filme jenseits der Massenproduktionen ein Publikum suchen, haben es da weitaus schwerer. Das ist zwar nicht neu, aber wohl standen die Kommunalen Kinos noch nie vor so einer großen Schwelle, wie sie die Digitalisierung ihnen derzeit zumutet: Mit der neuen Technik sind inzwischen fast alle der 140 Kommunalen Kinos in Deutschland ausgerüstet. Millionen an Euros hat die Digitalisierung die Kinos gekostet, und doch scheint es, als beginne der eigentliche Überlebenskampf der Kommunalen Kinos erst jetzt. Oder wie der oscarpreisgekrönte Regisseur Volker Schlöndorff es in einer seinem Eröffnungsvortrag am Freitagabend ausdrückte: Schon 1965 habe man über die Notwendigkeit, das Kino neu zu erfinden, gesprochen. „Heute, 50 Jahre später sind, wir wieder so weit. Nur der Scherbenhaufen ist noch größer.“
Die Wunschvorstellung des Kinos als Ort der Begegnung, der ästhetischen Erfahrung, des Austauschs und auch einer politischen Öffentlichkeit trägt viele der Betreiber Kommunaler Kinos. Doch wie ist dieses Ideal – Regisseur Schlöndorff spricht hierbei vom Kino als Forum Romanum – heute noch in die Realität umzusetzen? Volker Schlöndorff hat darauf keine Antwort: „Ich bin froh, wenn ich noch die Idee für einen nächsten Film habe, aber nicht, wie das Kino der Zukunft aussieht.“ Denn eine filmische oder gar cineastische Bewegung, wie sie in Paris in den 60er-Jahren entstand, als Cinephile die Debatte über neue Erzählformen oder Ästhetiken anführten, ist nicht in Sicht. „Ich habe nicht mehr das Gefühl, irgendjemand wartet auf den einen Film, auf eine bestimmte Ästhetik. Sondern es ist irgendwie „anything goes“. Dieses Gefühl der Beliebigkeit angesichts der anonymen Flut an Audio-Visuellem und die allgegenwärtige Präsenz von bewegten Bildern auf Bildschirmen sei demotivierend, so Schlöndorff. „Es bleibt nichts von dem, was da flimmert.“
Für Gastgeberin Ursula von Keitz, Leiterin des Filmmuseums Potsdam, hat das Kino nur eine Chance, wenn es schafft, nicht nur Filme zu zeigen, sondern eine Atmosphäre zu schaffen. Nur dadurch sei es möglich, den Mehrwert des Kinos gegenüber Filmegucken auf Laptop oder dem klassischen Fernsehen hervorzuheben. „Weil man im Kino Erfahrungen machen kann, die es sonst nicht gibt“, glaubt sie. Doch wie schwierig es ist, im städtischen Raum eine Atmosphäre zu schaffen, die Publikum zum gemeinsamen Erlebnis des Filmeschauens anzieht, erfährt Ursula von Keitz tagtäglich sozusagen am eigenen Hause. Für sie ist der breite Gebäuderiegel des Filmmuseums an der Breiten Straße ein Ort der Ödnis. „Dieser Raum ist schwer in ein gut fußläufiges Wohnzimmer zu verwandeln. Das ist kein Ort, wo man sich gerne aufhält.“ Der ehemalige Exerzierplatz sei von „einer nicht zu überbietenden Ödnis“. Impulse zur Belebung des Ortes scheiterten am Denkmalschutz, so die Filmwissenschaftlerin. Als gelungenes Beispiel, wie Kinokultur in den öffentlichen Raum integriert wird, wertet sie den Königsplatz in München. Statt versiegelter Flächen gebe es dort einladende Grünanlagen und nicht zuletzt im Sommer Open-Air-Kino.
Das Kino wirklich neu zu erfinden, könnten nach Meinung Schlöndorffs nur die Jungen. Und die tun es auch, wie die anschließende Podiumsdiskussion zeigte: Stefan Schimek vom Zebra-Kino in Konstanz etwa ist angesichts des Konkurrenten Internet völlig unbefangen und nutzt vor allem dessen Vorteile: Mit Live-Gesprächen per Skype zwischen Regisseur und Publikum sei das Kino im Hochsommer voll gewesen. „Man fragt die Regisseure, ob sie Lust auf ein Intro haben, also auf ein Video-Intro, oder die Hauptdarsteller.“ Junge Regisseure wollten schließlich auch gefunden werden. Selbst an Netflix sei er per Mail herangetreten, um Abspielrechte zu erhalten – eine Antwort habe er allerdings nie erhalten. Wenngleich die Kommunalen Kinos keine Bewegung mehr sind, so bewegen sie sich doch. Grit Weirauch
Grit Weirauch
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