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Dicht dran. Szene aus der Videoinstallation Geilfleisch von Ali Kepenek.

© promo

Kultur: Lecken, fesseln, spucken

Trollwerk e.V. setzt die „Contemporary Art Zone“ fort: Heute eröffnet die Videoinstallation „Geilfleisch“

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Wer den rostroten Container im Schirrhof der Schiffbauergasse betritt, wird zunächst von einem schwarzen Vorhang vor weiteren Einblicken gehindert. Einen Schritt weiter müssen sich die Augen an das Zwielicht gewöhnen, während ein Wogen und Flüstern von Geräuschen zu hören ist, wie es an Orten entsteht, wo viele Menschen gleichzeitig sind. Und das hier ist ein außergewöhnlicher Ort. Die Assoziation zur Ausstattung eines Sexclubs ist vom Künstler gewollt. An der rechten Wand sind vier spärlich beleuchtete Andreaskreuze aus Holzbalken montiert, auf der linken Seite eine Leiste mit vier Bildschirmen, auf denen ein Film in Endlosschleife läuft.

Zu sehen sind nackte Menschen. Mit desperater Atemlosigkeit fassen sie sich an, fahren sich mit den Händen über schweißfeuchte Körper, allein, zu zweit, im Trio, Mann und Frau, Mann und Mann oder zwei Männer mit Frau, so genau ist das nicht immer auszumachen, die Kamera ist zu dicht dran. Während im Soundtrack Geräusche wie Polizei-Sirenen oder das rhythmische Vorbeirattern eines Güterzuges auftauchen, lecken sich die Protagonisten ab, fesseln und bespucken sich schließlich, wieder befreit und in einer Art Höhepunkt, gegenseitig mit Wasser.

„Geilfleisch“ heißt die erste Videoinstallation des Fotografen Ali Kepenek, der sich unter anderem mit Hochglanz-Starporträts für Magazine wie die Cosmopolitan, GQ, Rolling Stone, Stern, Vougue oder Wallpaper und Werbeaufträgen für Adidas, Mercedes Benz oder Triumpf Underwear einen Namen gemacht hat. Seinetwegen hat der Potsdamer Galerist Erik Bruinenberg vom Trollwerk e.V. tatsächlich darüber nachgedacht, einen Jugendschutzhinweis an den derzeit als „Temporary Art Zone“ bespielten Ausstellungs- und Event-Container im Schirrhof anzubringen. Nach kurzem Überlegen habe er sich jedoch dagegen entschieden: „Der Film ist unschuldig, nicht pervers“, sagt er.

Tatsächlich sei es ihm nicht darum gegangen, zu schockieren, betont Ali Kepenek, der in Berlin und London zuhause ist. „Deswegen habe ich bewusst keine Genitalien gezeigt“, erklärt er. Denn er wolle eine Geschichte erzählen. Darüber, wie schnell und leicht zugänglich, aber gleichzeitig auch anonym Sexualität geworden ist. Gezeigt werden Menschen, die in der Nähe zu anderen auf der Flucht vor sich selbst sind.

Die Installation wird nicht nur in Potsdam gezeigt, sie ist auch hier entstanden: Den sieben Minuten langen Film hat Kepenek im Kesselhaus des Waschhauses gedreht. Für die fünf Rollen habe er mit Bedacht keine besonders schönen oder hässlichen Körper ausgewählt. „Sie sollten so aussehen, dass es jeder von uns sein könnte“, sagt er. Anderthalb Monate habe die Arbeit insgesamt gedauert. Die Tonspur komponierte er aus Geräuschen von seiner Londoner Wohnung.

Dass der Künstler mit seiner ersten Videoarbeit nach Potsdam kommt, geht auf ein Treffen vor zwei Jahren zurück: Damals hatte Trollwerk-Initiator Erik Bruinenberg Kepenek für Fotos zum Ausstellungsplakat zu den Dennis Oppenheim Weeks verpflichtet – und sich vage auf ein gemeinsames zukünftiges Projekt verständigt. Heute ab 20 Uhr feiert das erste Ergebnis dieser Begegnung Premiere, unterstützt von den schwullesbischen Partymachern Helki. Ali Kepenek plant bereits weitere Filmarbeiten. „Ich kann mir eine neue Zusammenarbeit vorstellen“, sagt auch Erik Bruinenberg.Jana Haase

Die Ausstellung im Schirrhof ist bis zum 19. September jeweils donnerstags bis samstags von 20 bis mindestens 1 Uhr geöffnet

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