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Kultur: Licht im Einsteinturm

Kunst auf den regionalen Spuren des Physikers

Stand:

Kunst auf den regionalen Spuren des Physikers Einstein ist weg. Keine Spur mehr von ihm oder dem Haus in der Haberlandstraße 5 in Berlin, in dem er mit seiner Frau Else von 1917 bis zu seiner Emigration wohnte. In den goldenen Zwanzigern traf sich hier die Elite aus Wissenschaft, Kunst und Politik zum Salon. Heute steht an diesem Ort ein unscheinbarer vierstöckiger Flachbau, pastellgelb gestrichen und mit kleinen Balkonen. Von hier aus soll der weltbekannte jüdische Physiker und Nobelpreisträger morgens zur Arbeit gegangen sein? Anders als in Berlin-Schöneberg ist Einsteins Ort in Potsdam nicht verschwunden: der nach ihm benannte, von Erich Mendelsohn erbaute Einsteinturm auf dem Telegrafenberg. 1924 wurde das Sonnenobservatorium eröffnet, heute ist es viel besuchtes Baudenkmal. „Einstein Spaces“, intime und öffentliche Schauplätze aus Einsteins Leben in Berlin, Potsdam und Caputh sind die Ausgangspunkte einer Ausstellung des Einsteinjahres, die am 6. September im Rahmen des Berliner Kunstherbstes eröffnet. Neun renommierte zeitgenössische Künstler aus Europa und den USA nähern sich Einstein, puzzeln Vergangenheit und Gegenwart der Orte mit Licht-, Audio-, Video- oder Rauminstallationen zusammen, kündigt Kuratorin Yvonne Leonhard an. Im Einsteinturm wird eine Installation von Olafur Eliasson zu sehen sein. Der in Berlin lebende dänische Künstler experimentiert mit Raum, Zeit und Licht, den gleichen Phänomenen, die Einstein bewegten. Nur dass sein Werk mit Relativität nichts zu tun hat, und weder versucht, die Theorie zu veranschaulichen, noch sinnlich erfahrbar zu machen. „Das ist sowieso unmöglich“, meint Yvonne Leonhard. Selbst Einstein habe es abgelehnt, seine Gedanken-Konstrukte in wenigen Sätzen, in Artikeln oder Essays darzulegen. „Wie soll man jahrzehntelang erworbenes Wissen auf ein paar Seiten reduzieren?“ Eliasson nun setzt die Einsteinschen Phänomene in neue Zusammenhänge. Draußen auf dem Flur des Turms steht das Spiegelteleskop, drinnen im Arbeitszimmer schafft der Künstler quasi eine Erweiterung der Forschungsstation. Er hüllt den Raum in eigentümliches Licht. Ein Scheinwerfer fällt auf einen Glasspiegelzylinder, der sich, von einem leise surrenden Motor angetrieben, dreht. Ein Lichtkreis entsteht, eine Ellipse, die anwächst, dann kleiner wird, bis sie sich in einer Linie auflöst. Die Einstein-Kunst-Route führt zum Haus in Caputh, wo die Familie bis 1932 die Sommermonate verbrachte. Franz West hat den Ort künstlerisch inszeniert. Und weiter zur Archenhold-Sternwarte. Hier hielt der Wissenschaftler 1916 seinen ersten öffentlichen Vortrag über die Relativitätstheorie. Pawel Altheimer zeigt seine künstlerische Interpretation des Raumes. Ann Veronica Janssen setzte sich in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Berlin (der einstigen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt) mit dem einzigen Experiment auseinander, das Einstein je entwickelte. Auch wenn Einstein im Mittelpunkt der Schau steht, sie dreht sich nicht ausschließlich um ihn. Wie nebenbei erzählt sie vom geistigen Klima, der vitalen Wissenschaftsszene, in der der Nobelpreisträger lebte, davon dass Frauen in den Naturwissenschaften keine Seltenheit waren. Die Kunst als Vermittler von Vergangenheit und Gegenwart.Marion Hartig 6. September bis 30. Oktober, Mo bis Sa 10 bis 18 Uhr, So 11 bis 19 Uhr, www.einsteinjahr.de

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