Kultur: Liebe im Exil
Die Autobiographie von Edith Anderson vorgestellt
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Im April 1999 veröffentlicht die „New York Times“ einen Nachruf auf die „amerikanische Autorin“ Edith Anderson, die 83-jährig in Berlin gestorben war. Nur wenige Wochen vorher hatte sie ihre Heimatstadt besucht und ihr neuestes Buch „Liebe im Exil“ vorgestellt, das 2007 auch auf Deutsch erschien und am Montagabend im Frauenzentrum von der Potsdamer Germanistin Margrid Bircken vorgestellt wurde.
Die Library of Congress, die US-amerikanische Nationalbibliothek, kennt die Autorin indes kaum. Nur ein weiteres Buch ist noch verzeichnet, die Anthologie „Blitz aus heiterem Himmel“, erschienen 1975 im Hinstorff-Verlag der DDR. Tatsächlich hat Anderson von der Gründung bis zu ihrem Ende in der DDR gelebt und dort als Journalistin, Autorin und Übersetzerin gearbeitet. Ihre literarischen Werke, u.a. Kinderbücher und Hörspiele, schrieb sie jedoch überwiegend auf Englisch.
So ganz heimisch ist sie in der DDR nie geworden. In New York hatte sie sich in den 16 Jahre älteren deutschen Kommunisten Max Schroeder verliebt, ihn geheiratet und war ihm nach Europa gefolgt. Schon die verworrene Odyssee nach Berlin gibt erhellende Einblicke in die Nachkriegsgeschichte. So wie die US-Behörden allen Kommunisten gegenüber feindlich eingestellt waren, so skeptisch betrachteten die Militäradministrationen in Deutschland das Ansinnen einer jungen Amerikanerin, ausgerechnet in der sowjetisch besetzten Zone leben zu wollen.
Ihr Mann wurde Cheflektor des Aufbau-Verlages, aber eigentlich war auch er, wie sie, Schriftsteller. Die Zeitumstände machten ihn zu einem Kulturpolitiker. Aufgerieben und ausgelaugt starb er mit nur 58 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt, 1958, hatten sich die Eheleute schon entfremdet. Waren es am Anfang die gleichen politischen Ideale gewesen, die sie verbanden, zerrann die Achtung füreinander in der Maschinerie von Borniertheit, die auch im DDR-Kulturbetrieb herrschte.
Edith Anderson blieb die beobachtende Außenseiterin. Aufgewachsen in einem konservativen jüdischen Elternhaus, begeisterte sie sich früh für die kommunistische Bewegung, wobei es eher die gewerkschaftliche Basisarbeit war, die sie politisierte, als die Lektüre theoretischer Texte. In dem Roman „Gelbes Licht“ verarbeitete sie ihre Erfahrungen als Eisenbahnschaffnerin, ein Beruf, aus dem Frauen in den USA nach dem Krieg ebenso schnell verdrängt wie sie zuvor dringend dafür gebraucht wurden. Anna Seghers, die sich in persönlichen Begegnungen Anderson gegenüber kühl verhielt, lobte den Roman und setzte sich für ihn ein. Auch Max Schroeder sah in seiner Frau zuerst die Schriftstellerin. Schon 1949 übersetzte und veröffentlichte er ihre Kurzgeschichte „Loretta“ über latenten Antisemitismus in New York, die später auch in dem Erzählband „Leckerbissen für Dr. Faustus“ erschien.
„Ein Beobachter sieht nichts“, war 1972 ihr Reisetagebuch nach New York betitelt. So, wie sie weder dort noch hier leben wollte, zeichnet sich ihr Leben durch Engagement und Distanziertheit aus. Ihrem Vater gestand sie: „Mein Leben ist zerrissen, genau in der Mitte.“ Auch um ihrer 1948 geborenen Tochter ein Leben im Exil zu ersparen, blieb sie in der DDR. Ihre Autobiografie endet 1960, der selbstironische Ton und der genau beobachtende Blick machen das Buch (Basisdruck, 22 €) sehr lesenswert. Es gibt es auch Unbeteiligten einen umfassenden, spannenden und subjektiven Einblick in die frühe DDR-Kultur. Lene Zade
Lene Zade
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