Von Babette Kaiserkern: Liebe über Grenzen Ein Kraftwerk von Gefühlen
Uraufführung von „Ortsgespräche – Berlin ’79“ Georg Friedrich Händels Oper „Alcina“ hat morgen im Schlosstheater im Neuen Palais Premiere
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Berlin 1979. Am Nabel einer zweigeteilten Welt spielt die Geschichte der Lehrerin Ute und des ehemaligen DDR-Bürgers Frank. Ihre Liebe war gescheitert, weil Frank die DDR „illegal“ verlassen wollte, woraufhin er im Zuchthaus landete und von der Bundesrepublik freigekauft wurde. Über die Mauer hinweg entflammt ihre Liebe erneut. Beide geraten ins Visier der Staatssicherheit, deren Krakenarme bis nach Berlin-West reichen.
Die Kenntnisse bei jungen Menschen über DDR-Geschichte und die Teilung Deutschlands ist erschreckend gering. Das Schauspiel „Ortsgespräche – Berlin ’79“ von Dirk Jungnickel versucht über Empathie mit Betroffenen der Teilung Berlins, Geschichte transparent zu machen. Unter der Regie von Constanze Jungnickel spielt die Stadt-Spiel-Truppe mit Karen Schneeweiß, Albrecht Bechmann und Norman Jahnke. Die Uraufführung findet heute, 19 Uhr, auf dem Theaterschiff statt. PNN
„Wir machen keine Zauberoper. Für uns ist Alcina einfach eine bezaubernde Frau, die alle Männer in sich verliebt macht“, sagt Ingo Kerkhof. „Seit fünf Wochen erarbeitet der Regisseur die Inszenierung von Georg Friedrich Händels gleichnamiger Oper „Alcina“.
In Zusammenarbeit mit dem Hans Otto Theater und der Kammerakademie Potsdam kommt die barocke Zauberoper im Schlosstheater im Neuen Palais innerhalb der Potsdamer Winteroper zur Aufführung. Sie wird in Potsdam bereits zum dritten Mal seit der Wende inszeniert. Auch an der Komischen Oper Berlin lief „Alcina“ erst vor kurzem und über zwei Jahre lang. Die sehr vielen Inszenierungen in jüngster Zeit zeigen, dass diese Oper bis heute so attraktiv wie ihre Protagonistin geblieben ist.
Alcina lebt als Zauberin und Femme fatale auf einer Insel. Jeder Mann, den es in ihr Reich verschlägt, verfällt ihr sofort. Wenn sie seiner überdrüssig wird, verzaubert sie ihn in einen Baum, Felsen oder in ein Tier, was der Flora und Fauna ihrer Insel sehr zugute kommt. Doch eines Tages trifft Amors Pfeil auch die mächtige Zauberin. Der Ritter Ruggiero wird ihr zum Schicksal. Als Alcina ihn zu lieben beginnt, verliert sie ihre Zauberkraft und ihre Macht.
Magie und Zauberei sind heutzutage im Fantasy-Genre weit verbreitet. Doch im Zeitalter der aufgeklärten Postmoderne mag die bloße Zauberei auf der Opernbühne womöglich nicht überzeugen. So erscheint es naheliegend, dass Regisseur Ingo Kerkhof eine klassisch psychologische Deutung präferiert. Er sieht schlicht zwei Menschen vor sich, die bezaubernde Alcina und den blindlings verliebten Ruggiero. „Unter diesem Aspekt sind uns die Figuren sehr nahe“, meint der Mittvierziger, der zuletzt drei Barockopern an der Staatsoper Hannover inszeniert hat. Für ihn repräsentiert Alcina den Wunsch, ganz nach den Gefühlen zu leben. Ruggiero hingegen ist hin- und hergerissen zwischen der Lebenslust auf Alcinas Liebesinsel und der Welt der Pflicht und des Kriegs, aus der er kommt. Dorthin kehrt er auch wieder zurück, aber nur mit Hilfe seiner energischen Gattin Bradamante. Ohnmächtig und sehnsüchtig bleibt Alcina allein. Ihre Wandlung von der kalten Machthaberin zur verletzlichen Liebenden gehört zu den schönsten musikalischen Schöpfungen von Georg Friedrich Händel. Bis heute wird das Publikum vom melodischen Reichtum, den leidenschaftlichen und lyrischen Affekten dieser Opera seria ergriffen.
Liebesdramen haben eine lange Tradition in der Oper. „Die Oper ist wie ein Kraftwerk von Gefühlen“, sagt Ingo Kerkhof. Im 20. Jahrhundert sei das Liebesthema zwar ins Kino abgewandert, aber es gibt eine Gemeinsamkeit: „Den Widerspruch, den man auch im Leben hat, mit der ganzen Sehnsucht nach Erfüllung, den repräsentieren Film und Oper gleichermaßen.“ Beide erzählen von extremen Ausnahmesituationen, von utopischen Situationen jenseits des Alltags.
Bei der Uraufführung von „Alcina“ 1738 im Londoner Covent Garden Theater wurde der verliebte Ritter Ruggiero von einem Kastraten gesungen. In der Potsdamer Inszenierung übernimmt die junge Mezzosopranistin Franziska Gottwald diese Rolle. Für die Gewinnerin des Internationalen Leipziger Bachwettbewerbs 2002 ist es eine besondere Herausforderung, die emotionalen Wirren der Figur nicht nur stimmlich, sondern auch schauspielerisch überzeugend darzustellen.
Franziska Gottwald lobt die Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Andrea Marcon, der eine sehr hohe Intensität verlange. Besonders gut gefällt ihr die Perspektive der Regie: „Selbst die Auf- und Abgänge sind psychologisch motiviert, nicht musikalisch“, erklärt die junge Sängerin, die erstmals in Potsdam zu hören ist.
Premiere am 30. Oktober, 19 Uhr. Weitere Aufführungen: 1. November, 15 Uhr, 7. November, 19 Uhr, Schlosstheater im Neuen Palais.
Babette Kaiserkern
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