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Kultur: Liebeserklärung an alles Unbekannte Thomas Kunst liest seine Lyrik im Huchel-Haus
Frauen und Alkohol – zwischen diesen Themenfeldern schwingt Thomas Kunst mit seinen Worten hin und her. Aber natürlich geht es in seinem jüngsten Gedichtband „Die Arbeiterin auf dem Eis“, aus dem er am morgigen Donnerstag im Peter-Huchel-Haus liest, um viel mehr.
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Frauen und Alkohol – zwischen diesen Themenfeldern schwingt Thomas Kunst mit seinen Worten hin und her. Aber natürlich geht es in seinem jüngsten Gedichtband „Die Arbeiterin auf dem Eis“, aus dem er am morgigen Donnerstag im Peter-Huchel-Haus liest, um viel mehr. Um die Tücken des Begehrens etwa, das vor allem dann funktioniert, wenn es erfolglos bleibt. Um das Schwanken zwischen Liebe und Ablehnung. Um Verlust und Sehnsucht. Aber letztlich kann man das alles natürlich darauf reduzieren: Frauen – und Alkohol, wobei der Alkohol nur eine Metapher ist von vielen. Es geht um die ewige Dialektik aller selbsternannten Dichter, aller einsamen Wölfe. All derjenigen, denen die Liebe schnell zu eng und die Einsamkeit dann zu groß wird.
Bei Thomas Kunst klingt das so: „Ich schweige, auf deine Frage, wem ich zugehöre. Auf deine Frage hin, zu dir, verflucht. Erspar mir diese Demut, wenn ich bleibe.“ Das Schwingen und Schwanken macht er zum poetischen Prinzip, auch formal: Den letzten Satz eines Verses vollendet er gerne erst im nächsten Vers. Keiner der drei- und vierzeiligen Blöcke kann so für sich stehen, jeder braucht den nächsten. Viele seiner Gedichte schwingen sich dann auch gleich weiter auf die nächsten Seite – auch das ist so ein Trick von Thomas Kunst: Den letzten Satz gleich wieder zum ersten zu machen. Und das kennt man ja – was eine Sache abschließt, ist oft der Beginn von etwas Neuem. Ganz banal, eigentlich, trotzdem wirkt Kunsts Methode frisch und neu.
Ganz am Ende des dritten Kapitels lässt er dann seine Schwingersätze noch einmal auferstehen – und baut aus ihnen ein neues Gedicht. Sätze, die er vorher zur Transformation, zum Weiterschreiben nutzte, müssen es jetzt in einer Strophe miteinander aushalten: „Als Freund etwas zu taugen, nie als Liebster. Erspar mir diese Demut, wenn ich bliebe. Familienglitzern abgewehrter Hände“. Das Erstaunliche ist, dass das funktioniert.
Gelernt hat Kunst das offiziell nicht. Geboren 1965 in Stralsund, zog er nach dem Abitur nach Leipzig, um Pädagogik zu studieren. Das mit dem Studium dauerte aber nicht lange: Nach einem Jahr brach er es ab, arbeitete fortan in der Bibliothek – und schrieb. 1991 erschien sein erster Gedichtband bei Reclam Leipzig: „Besorg noch für das Segel die Chaussee“. In den 90er-Jahren wurde er dann schnell zu einer festen Größe in der deutschen Lyrikszene, gewann den Dresdner Lyrikpreis und zuletzt – 2004 war das –, den F.C.-Weiskopf-Preis der Berliner Akademie der Künste. Und er hat prominente Fürsprecher wie etwa den Schriftsteller Feridun Zaimoglu. „Thomas’ Kunst vermag die Schönheit in derart lichten Worten zu zeichnen, dass man brüllen möchte vor Verlangen und Lust“, schrieb Zaimoglu über „Die Arbeiterin auf dem Eis“. So richtig hat es aber bisher trotzdem nicht geklappt mit dem großen Ruhm.
Schwer zu sagen, ob das trotz – oder wegen der in seinen Gedichten an allen Ecken und Enden durchschimmernden Erotik so ist. Die ist eigentlich eher eine lässige Laszivität, nie wird Thomas Kunst explizit, nie allzu offensiv. Stattdessen schreibt er: „Die Wiesen haben sich so hingeschrieben, es gibt nur ein, zwei Spielereien, die gelten. Wir beide lassen uns zu selten gehen.“ Er zeigt, heißt es in der Einladung zur Lesung, was Poesie sein kann, wenn sie ganz bei sich bleibt, jenseits des programmatischen, historisierenden, biografischen Gedichts. Das Buch sei eine verwegene Liebeserklärung an alles Unbekannte: insistierend, zuversichtlich, absurd. Manchmal kommt Thomas Kunst mit dieser Absurdität der Wirklichkeit ganz nah: „Wenn ich begehrte, ging es selten Jahre – obwohl ich Ewigkeit für eine klare – Entscheidung eines Schwachsinns ohne Triebe – gehalten habe. In vielen Drinks steckt die Getränkestange“. Da sind sie dann wieder: Frauen – und Alkohol. Ariane Lemme
Thomas Kunst liest am morgigen Donnerstag um 20 Uhr im Wilhelmshorster Peter-Huchel-Haus, Hubertusweg 41. Das anschließende Gespräch moderiert Peter Geist. Der Eintritt kostet 5, ermäßigt 4 Euro
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