Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2016: Lieder ohne Worte
Die Chansonnacht bei den Musikfestspielen im Nikolaisaal und anderswo.
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Sie bereue nichts: „Non, je ne regrette rien“. Das Chanson ging nicht nur um die Welt, sondern war auch das Lebensmotto seiner Interpretin: Edith Giovanna Gassion, die kleine Französin mit der faszinierenden Stimme, die als Edith Piaf zur Legende wurde. Aber Legenden sterben jung, heißt es. Edith Piaf – der Spatz von Paris – wurde nur 47 Jahre alt. Mit ihrer unglaublich tragischen Lebensgeschichte und vor allem mit ihren großartigen Chansons rührt sie bis heute ein Millionenpublikum zu Tränen. „Was im Leben zählt, ist die Intensität des Lebens, nicht seine Dauer“, sagte einst ihr belgischer Sängerkollege Jacques Brel.
Hier und da konnte man am Freitagabend im Nikolaisaal erleben, dass die zumeist zärtlichen Lieder der Piaf manchem Zuschauer Tränen in die Augen trieben, obwohl sie textlos vorgetragen wurden. Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci haben die beiden französischen Ausnahmekünstler Richard Galliano, Akkordeon, und Sylvain Luc, Gitarre, eingeladen, einen Mix von Liedern der Edith Piaf, die von Liebe und Abschied, von Glück und von Tod erzählen, auf ihren Instrumenten vorzutragen.
Bei den beiden Künstlern wurde das 90-minütige Konzert innerhalb der Chansonnacht zum diesjährigen Festspielthema „Bonjour Frankreich“ zu einer jazzigen Hommage an die Sängerin. Wenn sich der in aller Welt gefeierte französische Akkordeon-Charmeur und Crossover-Spezialist Richard Galliano sich den allgemeinverständlichen und allgemeingültigen Piaf-Piecen widmet, dann darf man sich auf ein wunderbares musikalisches Abenteuer einstellen. Hin und wieder hätte man auch die Texte mit der melodischen Sprache der Franzosen genießen wollen. Chansons leben auch von der Sprache. Vielleicht hätten auch ein paar moderierende Worte über das Leben der Piaf eine Brücke zu den Liedern geschlagen.
Galliano und Luc spielten fast ohne Punkt und Komma die berühmten Chansons wie „La Vie En Rose“, „Padam Padam“ oder „L’ Accordéoniste“ – mit großem Herz und weit gespannter Seele. Mit den jazzigen Klängen hatten sie im Nikolaisaal etwas Federleichtes, Wunderschönes und Mitreißendes. Das war möglich, weil beide Musiker ihre Instrumente exzellent beherrschen. Vor allem Richard Gallianos virtuoses und farbenprächtiges Akkordeonspiel, das oftmals an einen effektvollen Orchesterklang erinnert, sind bewundernswert. Nicht nur bei den Piaf-Chansons, auch bei den eingestreuten Jazz-Titeln hatten die Zuhörer ihre Freude und applaudierten begeistert den Künstlern aus Frankreich.
Es ist natürlich nicht ganz einfach, als Nachhut von so tollen Künstlern wie Galliano und Luc die volle Aufmerksamkeit der Zuhörer zu erreichen. Die jungen Sängerinnen Mélinée und Carole Martiné sowie der Chansonnier Antoine Villoutreix, alle drei leben jetzt in Berlin, konnten jedoch während der atmosphärisch dichten Chansonnacht, die dann auf der von Pariser Straßenlaternen, Tischen und Gartenstühlen bedachten Bühne, in dem mit Liegestühlen versorgten Foyer und in dem von Baum und Sternen „überdachten" Innenhof des Nikolaisaals sowie im Kutschstall am Neuen Markt ihre Fortsetzung fand, mit ihren Musikerkollegen bestehen. Sie gaben die verschiedenen Facetten des modernen Chansons, die Anklänge an bedeutende Chansonniers haben, sowie Pop-Chansons zum Besten, wobei Mélinée mit ihrer dunklen timbrierten Stimme und feinen Strahlkraft besonders beeindruckte.
Wer Musik und Film verbinden wollte, ging ins Filmmuseum. Dort wurden drei französische Filme gezeigt, die ebenfalls als eine Hommage an den Chanson gedreht wurden, zärtlich-romantisch, charmant und sentimental, spielerisch leicht: „Die Regenschirme von Cherbourg“, „Das Leben ist ein Chanson“ und „Chanson der Liebe“. Auch sie waren eine lohnende Begegnung mit einer Kunstgattung, die bei den Franzosen einen großen Zuspruch hat. Klaus Büstrin
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