
© Fietzek
Mehr Literatur hatte sich der neue Waschhaus-Chef Siegfried Dittler als Ergänzung des bisherigen Angebots des Hauses gewünscht. Mit zwei Autorenlesungen beginnt jetzt eine Kooperation der Fachbereiche Germanistik und Jüdische Studien der Universität Potsdam, der Babelsberger Script-Buchhandlung und dem Waschhaus, mit der langfristig Buchlesungen zu bestimmten thematischen Fragestellungen organisiert werden sollen.
Zwei Autoren sogenannter transnationaler Literatur eröffnen den Reigen: Olga Grjasnowa und Vladimir Vertlib. Am morgigen Mittwoch liest Olga Grjasnowa, 1984 in Baku geboren, aus ihrem Debüt-Roman „Der Russe ist einer, der Birken liebt“. Für ein Erstlingswerk „grandios, ohne Längen, stimmig von vorn bis hinten“, sagt Kerstin Seefeld, Inhaberin der Script-Buchhandlung.
Olga Grjasnowa thematisiert in ihrem Roman das Leben der Generation, die mit unterschiedlichsten Grenzerfahrungen zurechtkommen muss: Traumatisierung und Flucht aus dem Heimatland, Leben in der Fremde, Assimilierung. Einem Immer-auf-der-Suche-Sein, auf dem Sprung, um weiterzuziehen. Damit trägt der Roman autobiografische Züge: Wie Olga Grjasnowa bewegt sich die Protagonistin Mascha scheinbar mühelos über Grenzen hinweg durch das globale Dorf Europa. Zeit, um irgendwo Wurzeln zu schlagen, bleibt da kaum.
Mit elf Jahren kommt Olga Grjasnowa als sogenannter jüdisch-stämmiger Kontingentflüchtling mit ihrer Familie aus Aserbaidschan nach Deutschland, studiert Literatur und Kunstgeschichte, auch in Polen, Israel und Moskau. Ihr Roman sei ein Beitrag zur Diskussion über die Bedeutung des kulturellen Erbes und der nationalen Zugehörigkeit für jeden Einzelnen, sagt Kerstin Seefeld. Nicht zuletzt gehe es auch um die Frage, ob man sich aufgrund seiner jüdischen Familiengeschichte immer als jüdisch definieren müsse, sagt Ulrike Schneider von der Universität Potsdam. Sie betreut derzeit ein Seminar zur deutsch-jüdischen Gegenwartsliteratur, das ausschlaggebend für das Thema der Buchlesungen war.
Auch in der Lesung am 13. Februar geht es um die Suche nach der Identität eines Menschen auf den verschlungenen Wegen der Migration. Vladimir Vertlib, 1966 in Leningrad geboren, lebt heute, nach Stationen in Israel, den Niederlanden, den USA und Italien, in Österreich. Schon in seinen Romanen „Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur“ und „Letzter Wunsch“ beschäftigte er sich mit Lebensgeschichten jüdischer Menschen. Sein neues Buch „Schimons Schweigen“ ist eine Suche nach der eigenen Vergangenheit des Ich-Erzählers und der des Vaters auf einer Reise nach Israel.
Zu beiden Veranstaltungen habe man die Potsdamer jüdischen Gemeinden eingeladen, so Ulrike Schneider, vor allem aber hofft sie, dass neben den Potsdamern viele Studenten das Angebot wahrnehmen. Studenten der Uni Potsdam haben freien Eintritt, die Lesung sei schließlich als Ergänzung zum Seminar gedacht. Außerdem würde das Waschhaus noch zu wenig von der Klientel der Studierenden wahrgenommen, so ihr Eindruck. „Wir sind da in Golm und am Neuen Palais zu weit draußen“, so Schneider, durch solche Angebote lerne man sich vielleicht besser kennen.
Im Sommersemester sollen weitere Lesungen transnationaler und -kultureller Autoren in Kooperation mit Universität, Script-Buchhandlung und Waschhaus folgen. Steffi Pyanoe
Die Lesung von Olga Grjasnowa, „Ein Russe ist einer, der Birken liebt“, findet am morgigen Mittwoch, dem 6. Februar, um 19.30 Uhr im Waschhaus, Schiffbauergasse 6, statt. Der Eintritt kostet 8, ermäßigt 6 Euro, für Studierende der Universität Potsdam ist der Eintritt frei
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