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Kultur: Lobgesang

Oratorienchor Potsdam feiert sein 50-jähriges Jubiläum mit Festwoche

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Felix Mendelssohn Bartholdys Symphonie-Cantate eignet sich bestens für das Jubiläum eines Chores, vor allem das sich der Musica sacra verpflichtet fühlt. „Alles was Odem hat, lobet den Herrn“ heißt es da im festlichen Ton. 1840 zum 400. Jahrestag der Erfindung der Buchdruckerkunst entstanden und in Leipzig uraufgeführt, so hat der Oratorienchor Potsdam dieses Werk zu seinem 50. Geburtstag ausgewählt. Am kommenden Sonnabend um 19.30 Uhr wird er „Lobgesang“ gemeinsam mit den Solisten Ute Selbig und Andrea Chudak, Sopran, Yosep Kang, Tenor, sowie dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt an der Oder in der Friedenskirche musizieren, an jenem Ort, wo der Oratorienchor fast alle seine Konzerte zu Gehör brachte, wo er sein Zuhause hat.

Begonnen hat alles im Spätsommer 1957. Nach dem Weggang von Prof. Karl Landgrebe, der viele Jahre Kantor und Organist an der Friedenskirche aber auch künstlerischer Leiter des Städtischen Chores und des Madrigalkreises war, wurde ein neuer Kirchenmusiker für das Gotteshaus im Park Sanssouci gesucht. Die Wahl fiel auf Prof. Ekkehard Tietze, Kantor in Altenburg. Er war als Kind und junger Mann Mitglied des Thomanerchores Leipzig, leitete ihn in der Interimszeit – nach dem Tode von Günter Ramin. Der damalige Superintendent des Kirchenkreises Potsdam, Konrad Stolte, hatte die Idee, einen übergemeindlichen Chor zu gründen. Mit Tietze fand er den geeigneten Musiker. In der Wochenzeitung „Potsdamer Kirche“ konnte man am 15. September 1957 lesen, dass Tietze bereits mit den Proben für die Aufführung des Requiems von Mozart am Ewigkeitssonntag in der Friedenskirche begonnen habe. Das erste Konzert fand dann nicht wie üblich im Altarraum statt, sondern unterhalb der Orgelempore. Zum Solistenquartett gehörte die Sopranistin Adele Stolte, die von nun an viele Jahre eine der Stammsängerinnen des Oratorienchors war. Knapp drei Wochen nach dem Requiem wurden bereits die ersten drei Kantaten des Bach’schen Weihnachtsoratoriums aufgeführt.

Innerhalb kurzer Zeit machten Ekkehard Tietze und der Oratorienchor deutlich, dass sie ein gewichtiges Wort innerhalb des kirchenmusikalischen Lebens in Potsdam mitzusprechen haben. Seitdem ist dieser Klangkörper, dem in erster Linie die Interpretation großer kirchenmusikalischer Werke am Herzen liegt, aus dem Kulturleben dieser Stadt nicht wegzudenken. Zwischen 100 und 120 Mitglieder konnte der Chor bald in seinen Reihen zählen. Bis heute, im Jahre 2007, ist diese Zahl konstant geblieben.

Die chorsinfonischen Werke von Bach über Mozart, Haydn, Brahms und Dvorak führte der Chor unter der Ägide Tietzes auf. Aber er hatte achtete immer darauf, dass die Musik des 20. Jahrhunderts nicht unterrepräsentiert ist. Und so wurden Werke von Wagner-Regeny, Poulenc, Kodaly, Martin zur Aufführung gebracht. Ein besonderer Höhepunkt war das Gastspiel in Tietzes ehemaliger Wirkungsstätte, in der Leipziger Thomaskirche. Dort sang man „König David“ von Artur Honegger mit großem Erfolg. Bis 1979 wirkte Ekkehard Tietze in Potsdam. Dann ging er in den Ruhestand. Nach einer Interimsphase wurde 1981 Matthias Jacob zum Kantor der Friedenskirche und damit zum künstlerischen Leiter des Oratorienchors gewählt. In seiner nunmehr 26-jährigen Tätigkeit hat er der Kirchenmusik in Potsdam große Dienste erwiesen. „Bis zum heutigen Tag verbindet sich die Qualität, für die der Potsdamer Oratorienchor steht, mit dem Namen von Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob“, schreibt Bischof Wolfgang Huber in seinem Grußwort in der sehr informativen und ansprechend gestalteten Jubiläums-Festschrift, das ab Sonnabend zur „Lobgesang“-Aufführung erhältlich ist. Jacob hat natürlich auch all die Standard-Werke, die zum Repertoire eines Oratorienchors gehören, aufgeführt. Aber auch Seltenes, Neues war und ist immer wieder zu hören, unter anderen die Requiem-Vertonungen von Alfred Schnittke und Andrew Lloyd Webber, das War-Requiem von Benjamin Britten. Eine deutliche Aufwertung erhielt die Romantik mit Werken von Mendelssohn Bartholdy und Anton Bruckner. Ein Höhepunkt: Die Uraufführung des Oratoriums „Amore sapienza“ im Jahre 1996, das der Potsdamer Komponist Gerhard Rosenfeld dem Oratorienchor widmete. Mit diesem Werk reiste der Chor zu Konzerten nach Umbrien. Überhaupt konnte er seine Gastspieltätigkeit ausbauen. Nicht nur nach Italien fuhr man, sondern auch nach Prag oder Kaliningrad.

Nach der Wende 1990 änderte sich auch beim Oratorienchor manches in finanzieller Hinsicht. Für die Aufführungen war man auf öffentliche Förderung angewiesen, vor allem für die Verpflichtung eines Orchesters. Musizierte bis 1999 die Brandenburgische Philharmonie Potsdam mit dem Chor, so geht er nun Partnerschaften mit mehreren Orchestern ein. Am Sonnabend mit dem Brandenburgischen Staatsorchester, wenn der „Lobgesang“ erklingt. Und ein Lobgesang, verbunden mit großem Dank und viel Anerkennung, wird sicherlich dem Oratorienchor und seinem künstlerischen Leiter von Herzen zuteil.

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