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Kultur: Lobgesang und Bekenntnis

Heute wird die Sopranistin und Gesangspädagogin Adele Stolte-Iwer mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt

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In einem breiten Strom erreichte Adele Stoltes Kunst ungezählte Menschen in Kirchen und Konzertsälen, darüber hinaus durch Rundfunk und Schallplatten. Trost und Freude konnte sie weitergeben. Aber so viel wohlverdienten Ruhm die Potsdamer Sopranistin Adele Stolte-Iwer dabei ernten konnte, sie hat es auch nie ausgeschlagen, wenn man sie in schlichte Dorfkirchen oder in einem Seniorenheim einlud, um in bescheidenen Verhältnissen zu konzertieren oder einen Gottesdienst zu gestalten. Adele Stolte hat wohl jede ihrer Mitwirkung in einem Konzert, in dem die Musica sacra im Mittelpunkt steht, als Gottesdienst verstanden. Denn die Mitte ihres Lebens ist der christliche Glauben. Somit war ihre künstlerische Äußerung stets Lobgesang und Bekenntnis. Bis heute, wenn sie hin und wieder in Gottesdiensten oder in Vespern in der Kirche von Nikolskoe gemeinsam mit ihrem Mann, dem Kirchenmusiker Wolfram Iwer, musiziert. Erst im Juni dieses Jahres hat sie eine Psalmvertonung des Komponisten Lothar Graap aus der Taufe gehoben.

Heute erfahren die Verdienste Prof. Adele Stolte-Iwers, die im Oktober ihren 75. Geburtstag begehen wird, eine besondere Würdigung. Ihr wird das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland überreicht. Dabei wird sie nicht nur als Sängerin geehrt, sondern auch als Gesangspädagogin.

Im Pfarrhaus von Adele Stolte – ihr Vater war Superintendent des Kirchenkreises Potsdam – wurde viel gesungen. Die Mutter trat des öfteren als Solistin in Kirchenkonzerten auf. Und so lernte Tochter Adele Solopartien aus Oratorien kennen. 1948 ging sie als 16jährige auf die Kanzel der Friedenskirche. Dort sang sie erstmals öffentlich die Partie des Engels in einer Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach mit dem Städtischen Chor Potsdam unter der Leitung von Hans Chemin-Petit. Mit Zöpfen und dem Konfirmationskleid verkündete sie allen, Zuhörern wie Mitwirkenden: „Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude“. 186 Mal hat die Sopranistin das Weihnachtsoratorium gesungen.

Doch bevor sie sich dem Singen ganz und gar professionell widmete, musste sie kontinuierlich Unterricht nehmen. Bei Anneliese Buschmann in Rostock erhielt sie eine profunde Ausbildung, die es ihr ermöglichte, die Partien in Oratorien und Kantaten von Johann Sebastian Bach zu singen. 1958 holte sie der Thomaskantor Kurt Thomas nach Leipzig, zur Aufführung und zu Rundfunkaufnahmen von Bachkantaten mit dem Thomanerchor und dem Gewandhausorchester. Der Erfolg war groß, man war begeistert von der leuchtenden Klarheit ihres Soprans. Natürlich kam im Laufe der Zeit eine echte Beseelung ihres Singens hinzu. Dem Hörer war der Gesang von Adele Stolte stets mehr als das Produkt einer schönen Stimme: Er ist Ausdruck, lebensvolle Gestaltung, künstlerische und geistliche Aussage.

Die Sopranistin wurde neben Peter Schreier, Theo Adam, Gerda Schriever, Hans-Joachim Rotzsch, Hermann-Christian Polster die Bach-Interpretin ihrer Generation. Ab der sechziger Jahre hatte sie ihre künstlerische Heimat in der Leipziger Thomaskirche, in der Dresdner Kreuzkirche, aber auch in Greifswald oder in Rostock. Auf den Podien der großen Konzertsäle konnte sie ihre Zuhörer ebenfalls immer wieder begeistern. Auch die vielfältigen Einladungen nach Westdeutschland, Österreich oder in die Schweiz nahm Adele Stolte gern an. Obwohl sie künstlerisch in den Musikzentren große Erfolge mit Dirigenten wie Rudolf Mauersberger, Kurt Masur, Rudolf Kempe, Kurt Sanderling oder Helmut Koch feierte, kehrte sie nach Potsdam stets gern zurück, in die Stadt, in der sie ununterbrochen seit 1945 lebt. Natürlich hat sie auch hier ihren Sopran erklingen lassen, in der Friedens- und in der Erlöserkirche. Nach der Wiedereinweihung der Nikolaikirche 1981 gestaltete sie oftmals mit ihrem Mann Wolfram Iwer, der in jenem Jahr Kantor an dem Gotteshaus wurde, die Vespern. Hier wurde die kleine Form der Musica sacra gepflegt, Werke von Schütz, Mozart bis zu zeitgenössischen Komponisten. Denn Adele Stolte hat sich nie allein auf Bach konzentriert. Die Spanne der Aufgaben, die man ihr übertrug, reichte weit. Oratorien, Messen, Kantaten oder Lieder aller Epochen hat sie in ihrem Repertoire.

Mitte der siebziger Jahre entdeckte Adele Stolte-Iwer ihr Talent für die Gesangspädagogik. Man lud sie und ihren Mann als Korrepetitor zum renommiertenMusikfestival Wratislawia Cantans in Breslau ein, wo sie 18 Jahre lang erfolgreich Seminare für Interpretation hielt. Nach der Wende, 1990, berief man sie an die Universität der Künste Berlin. Bis 2005 war sie am Institut für Ökumenische Kirchenmusik als Professorin tätig.

Schon immer kamen gestandene Sängerinnen und Sänger zu ihr, um sich von ihr Rat zu holen. Das ist bis heute so geblieben. Und bis heute ist sie mit der Kantorei an der Erlöserkirche Potsdam verbunden, denn schließlich hat sie jahrzehntelang mit ihr unter der Leitung von Friedrich Meinel musiziert. Sie hat dafür mit gesorgt, dass in finanziell schwierigen Zeiten ein Förderverein für die Kantorei sich gründete, dem sie jahrelang als Vorsitzende vorstand.

Zu ihrem 75. Geburtstag wird ein Buch über Adele-Stolte-Iwer erscheinen, dazu zwei CDs (herausgegeben vom Förderverein der Potsdamer Kantorei) mit größtenteils unveröffentlichten Aufnahmen: Der Titel: „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke“.

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