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Kultur: Lola rennt ins Museum

Ausstellung zeigt ab morgen Abend im Filmmuseum 13 Erfolge von X Filme

Stand:

Lolas feuerroter Haarschopf liegt in der Vitrine. Nikes Fahrrad parkt ein paar Meter weiter beim Sommer vorm Balkon. Daneben schwebt Alex“s Himmelsstürmer mit Hammer und Sichel, den er in der Pionier-AG Junge Raketenbauer gebastelt hat und der nun mit dem Sandmännchen an Bord „Good bye, Lenin!“ verheißt. Die neue Ausstellung des Filmmuseums, die morgen Abend um 19.30 Uhr eröffnet wird, lässt Schauspiel-Legenden wie Zarah Leander oder Asta Nielsen rechts liegen – in der Daueraustellung – und stellt das heutige Kino auf den Sockel. „Filme sind total schnelllebig. Für junge Leute ist ,Lola rennt“ schon Geschichte. Aber wir glauben fest daran, dass einige der X Filme überleben“, sagt die Direktorin des Filmmuseums, Bärbel Dalichow, während ihre Kollegen noch die letzten Requisiten drapieren und Fotos annageln, bevor sich die Zeit 13 Jahre zurück dreht.

Denn es war 1994, als sich die Regisseure Wolfgang Becker, Dani Levy und Tom Tykwer gemeinsam mit Filmkaufmann Stefan Arndt zusammentaten und ohne einen Pfennig Eigenkapital eine Filmproduktionsfirma gründeten. Mittlerweile haben sie über 30 Filme produziert: vom Publikum geliebt – und dennoch alles andere als weichgespülte Meterware. Es sind Filme, die im Hier und Heute spielen: künstlerisch ambitioniert und technisch ausgefeilt. „Wir haften alle persönlich für den Film des anderen. Wenn einer von uns seinen Film in den Sand setzt, sind alle pleite“, wird Tom Tykwer zitiert. Seine Lola brachte gleich mehrere Preise ein und gehört mit zu den 13 Filmen, die Ugla Gräf und Renate Schmal für die Ausstellung „Lola, Lenin, mein Führer: X Filme“ ganz nach eigenem Gusto auswählten. „Filme, von denen wir denken, dass sie eine längere Halbwertzeit haben“, so Museumsmitarbeiterin Ugla Gräf.

Ausstellungsgestalterin Renate Schmal hatte die pfiffige Idee, das Flüchtige des Alltags und die Hoffnung, es könnte Bleibendes daraus werden, gleichermaßen umzusetzen. Sie hing die Filmkostüme, die auch von H & M stammen könnten, auf Bügel an die Wand. So als wenn man sie gleich wieder in den Schrank zurück tun könnte. Doch sie erstrahlen vor einer Leinwand, wie bei einem Bildnis. Vielleicht haben sie ja das Zeug zur Dauerware. Die Farbigkeit spiegelt zudem die Stimmung der Filme wider. In der kleinen Insel der „Heidi M.“ überwiegen die dunklen Töne. Ihr grauer Pulli, den sie trug, als sie in der Disco versuchte, ihre Einsamkeit wegzutanzen, hängt nun vor einer düsteren Leinwand. Allerdings zeigt sich an den Seiten ein lichter Schimmer. Franz (Dominique Horwitz) ist in Sicht. Nikes rosa Hose hängt vor einem roten Hintergrund. „Heiße Sommerfarben, die nicht unbedingt zusammen passen. Aber es sollte ein bisschen quietschig sein.“ Wenn sie eine Robe von Zarah Leander in den Händen halte, ticke es bei ihr schon anders, als bei einer Bermudashorts. „Aber es hat auch gekribbelt, als ich den Schlafanzug von Katrin Sass in ,Goodbye, Lenin“ anbrachte. Es hatte etwas ganz Persönliches, diese Erinnerung an den Kräuselkrepp-Stoff, den wir alle kennen und zudem die tolle Leistung der Schauspielerin, die sich nach ihrer persönlichen Krise wieder so nach oben arbeitete.“ Mit dem Sonnengelb hinter dem ostigen Nachtgewand will denn Renate Schmal auch suggerieren: Alles wird gut. Nur das verblasste Kreuz irritiert. In jeder Film-Nische gibt es einen Monitor, auf dem Schauspieler und Regisseure über ihre Produktionen erzählen. „Der Schmerz geht, der Film bleibt“, sagt Wolfgang Becker, wenn er sich an seinen stressigen „Lenin“ erinnert. „Bei den ausgestellten Drehbüchern sieht man, dass sie als Wegwerfware angelegt wurden. Sie sind nicht zu vergleichen mit den Storyboards von früher, in denen es noch Skizzen und Fotos gab und in denen Licht und Kamerawinkel notiert wurden“, so Renate Schmal. Auch bei den Arbeitsfotos sehe man die Entwicklung. Habe sich früher die Kostümbildnerin die Finger wund gemalt, halte sie heute alles per Polaroid fest. Bei „Agnes und seine Brüder“ gibt es zu jeder Figur dicke Fotostapel, die von Sicherheitsnadeln zusammen gehalten werden. „Obwohl die Ausstellung relativ zeitnah entstand, war es nicht unbedingt einfach, an die Exponate zu kommen“, so Ugla Gräf. „Nach dem Dreh wird zum Teil alles zusammengeramscht oder andersweitig verwendet. Produzenten denken nicht wie ein Museum.“ Ein Teil der Requisiten kommt aus Düsseldorf, wo bereits eine X Filme-Schau zu sehen war. Ein Gang durch die 13 Filme in Potsdam ist eine sommerlich-erfrischende Erinnerungshilfe, eigene Kinoerlebnisse wieder hochschwappen zu lassen.

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