
© Musikfestspiele Potsdam
Kultur: Lust auf spanische Musik
Mediterranes Musikerlebnis: Die Brandenburger Symphoniker und das Euskal Barrokensemble spielten vor 1800 Zuhörern
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Sonntagnacht gingen die Musikfestspiele 2015 mit Konzert und Feuerwerk zu Ende. Diesmal war wieder die Mopke zwischen dem Neuen Palais und dem sanierten Triumphtor mit seinen Kolonnadenbogen Schauplatz des Festival-Finales. Das mild-warme Sommerwetter spielte endlich mit, denn die rund 1800 Besucher hatten Lust auf ein mediterranes Musik-Erlebnis. Die gespielten Werke beschworen dann auch die Atmosphäre und das Feuer Spaniens herauf.
Für ihre Wiedergabe wurden die Brandenburger Symphoniker eingeladen. Das Orchester aus der Buga-Stadt Brandenburg an der Havel konnte bei seinen regelmäßigen Auftritten im Nikolaisaal einen guten Ruf erlangen, dank seines Chefdirigenten Michael Helmrath. Doch leider wird ihm eine weitere erfolgreiche Arbeit in der Havelstadt nicht vergönnt. Helmraths Vertrag wurde zum Ende der Saison beendet. Musikfestspiel- und Nikolaisaalchefin Andrea Palent dankte Helmrath mit einem Blumenstrauß für unvergessliche Konzerte in Potsdam.
Auch beim Abschlusskonzert überzeugte Michael Helmrath durch ein Dirigat, das mehr als nur Solidität bereithielt. Hohe Spielkultur des Orchesters hat bei ihm stets Priorität, nicht minder das tiefe Eindringen in die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten eines Werkes. Die Brandenburger Symphoniker musizierten vor dem Triumphtor unter ihrem Noch-Chef das „Concierto de Aranjuez für Gitarre und Orchester“ von Joaquin Rodrigo. Das Stück ist ein Loblied auf die Gärten der Sommerresidenz der spanischen Könige in Aranjuez. Mit eigenen Augen hat der seit seiner Kindheit erblindete Komponist die Anlagen nicht gesehen, doch der Duft der Magnolien, der Gesang der Vögel sowie das Plätschern der Fontänen haben ihn, wie er selbst sagte, zur 1941 uraufgeführten Komposition inspiriert.
Als Solist konnte der auf internationalen Konzertpodien beheimatete spanische Gitarrist Enrike Solinis gewonnen werden. Schon in den ersten Takten ist der Gitarrist mit voluminösem Klang aus innerer Kraft heraus mit dem Farbenreichtum des Orchesters gleichgestellt. Orchester und Gitarrist werfen sich die Bälle gegenseitig zu, ohne dass dabei ein Klangkörper zu stark fokussiert wird. Der weltbekannte zweite Satz, ein Adagio, berührt emotional stark. Gefühle von Verlust, Sehnsucht und großer Traurigkeit werden durch das nuancenreiche Spiel von Enrike Solinis evoziert. Die anderen beiden Sätze überzeugen durch ihre Leichtigkeit und Stringenz.
Manuel de Fallas Ballettmusik zu „El amor brujo“ (Der Liebeszauber), 1915 zum ersten Mal aufgeführt, lebt vom Kontrast zwischen rezitativartigen Melodramen und gesungenen Cancións. Rocio Márquez singt inbrünstig die Soli und auch in den Sprechszenen überzeugt die Vokalistin durch Diktion und Eindringlichkeit. Die Symphoniker versuchen mit Erfolg, die Emotionen dieser Musik hörbar zu machen. Die Betonung des rhythmischen Elements, die Leitmotivtechnik, der flexible Vokalpart sind dafür verantwortlich, dass hier ein faszinierendes Kunstwerk zustande kam, das Genre- und Stilgrenzen sprengt.
Die Sängerin Rocio Márquez und der Gitarrist Enrike Solinis sind Mitglieder des Euskal Barrokensembles aus Spanien. Die sechsköpfige Gruppe bestritt den ersten, etwas zu langen Programmteil allein. Eine kammermusikalische Atmosphäre wollte sich nicht immer im weiten Rund des Platzes einstellen. Es scheint für eine größere Besetzung besser geeignet.
Traditionelle spanische Musik wechselte mit Kunstmusik von Domenico Scarlatti, Giovanni Girolamo Kapsberger oder Fernando Sor, die auch die volkstümlichen Ursprünge nicht verleugnen kann. Wieder sind den Gesängen vor allem rezitativische und deklamatorische Episoden zugedacht, abwechselnd mit langen Kadenzen und Instrumentalpassagen, die Rocio Márquez exzellent meisterte. Ebenso alle anderen Mitglieder des Ensembles, die ihre Instrumente wie Violine, Violoncello, Violone, Laute und Perkussion brillant beherrschen, und der urtümlichen wie stark emotionalen Musik viel spanisches Feuer und Melancholie verliehen. Ein außergewöhnliches Konzert, das bereichernd in die Vielfalt „spanischer Gärten“ führte.
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