Kultur in Potsdam: „Macht, aber auch sehr viel Pracht“
Regisseur, Initiator und Organisator der Höfischen Festspiele Potsdam, Kaspar von Erffa über das barocke Reitspektakel „Le Carrousel de Sanssouci“
Stand:
Herr von Erffa, sprechen wir heute vom Pferdekarussell, denken wir in den seltensten Fällen an ein großes, barockes Spektakel mit Musik, Tanz, Gesang und Dressurkunst.
Ja, hier im Café Heider wurde ich vor gut fünf Jahren in einem Gespräch mal gefragt, ob ich wisse, was ein Pferdekarussell sei. Ich habe dann geantwortet, das sei so ein Ding auf dem Jahrmarkt, das kleine Kinder im Kreis fährt. Ich war letztlich genauso ahnungslos wie wohl die meisten und wusste nicht, dass es für das Jahrmarktskarussell ein lebendes Vorbild gab. Was mir dann über das historische Pferdekarussell erzählt wurde, hat mich sofort begeistert. In der Zeit waren wir mit den Höfischen Festspielen auch gerade auf der Suche nach einer Idee für eine entsprechende Großveranstaltung, die wunderbar nach Potsdam passt.
Die Sie ja mit „Le Carrousel de Sanssouci“ gefunden haben. Einer Version des Pferdekarussells „Carrousel de Berlin“, das Friedrich II. im Sommer 1750 anlässlich des Besuchs seiner Schwester Wilhelmine von Bayreuth aufführen ließ.
Aber davor wollte ich erst einmal ausgiebig recherchieren, musste aber schnell feststellen, dass es sehr schwierig ist, darüber überhaupt Informationen zu erhalten. Ich habe dann Kontakt zu Leuten in der barocken Reitszene aufgenommen, die mir dann auch weiterhelfen konnten und mir Tipps gaben, wo ich suchen sollte.
Und wo sind Sie dann fündig geworden?
In der Berliner Staatsbibliothek habe ich aus ehemaligen königlichen Beständen Bücher gefunden, die meist aus Frankreich stammen. Eine Reihe von Anleitungen für ein solches Pferdekarussell aus dem 16., 17. und selbst noch aus dem 18. Jahrhundert.
So eine Art Gebrauchsanweisung nach dem Motto: Wie gestalte ich ein spektakuläres Pferdekarussell?
Ja, zu welchen Festlichkeiten ein solches Karussell bei Hofe veranstalt werden kann beispielsweise. Diese Anleitungen sind zum Teil auch wunderschön bebildert und zeigen, dass es zwei Hauptrichtungen gab. Bei der einen lag der Schwerpunkt auf dem Militärischen, war das Pferdekarussell eine künstlerisch aufgewertete Militärparade. Bei der anderen stand das Lyrische im Vordergrund, wurde viel mit Allegorien gearbeitet. Das war im Grunde eine Art Pferdeoper.
Welche der beiden Hauptrichtungen hat Friedrich II. für sein Pferdekarussell bevorzugt.
Bei dem Pferdekarussell Friedrich des Großen, das wir uns zum Vorbild für unsere Inszenierung genommen haben, steht, was wohl wenig überraschend ist, das Militärische im Vordergrund. Das hatte natürlich auch seinen Grund. Friedrich ist 1750, also zehn Jahre nach Regierungsantritt, siegreicher Feldherr in zwei schlesischen Kriegen, hat Preußens Territorium vergrößert und will sein Land im Konzert der europäischen Mächte noch stärker etablieren. Gleichzeitig will er mit diesem Fest, in dessen Rahmen das Pferdekarussell aufgeführt wurde, zeigen, dass er zwar selbst keine Kinder hat, dass er aber dynastisch einer großen Familie vorsteht und entsprechend für seine Nachfolge gesorgt ist.
Worin drückt sich das ausgerechnet in dem Pferdekarussell aus?
Friedrich lässt sein drei Brüder reiten, er veranstaltet das Karussell zu Ehren seiner Schwester Wilhelmine und setzt seine jüngere Schwester Amalia als Karussellkönigin ein. So zeigt er der europäischen Welt, in Form der zahlreichen Gesandtschaften, die er eingeladen hat, dass er zwar selbst keine Nachkommen hat, der Bestand Preußens aber gesichert ist.
Was ließ Friedrich damals in seinem Pferdekarussell zeigen?
Dieses Pferdekarussell war zuerst einmal eine Demonstration seiner militärischen Stärke. Die besten Reiter des Landes sind aufgefordert, die schwersten Übungen zu Pferde zu zeigen und sich im Wettstreit zu Pferde zu messen. Aber da Friedrich ja auch ein Schöngeist war, hat er in diese militärische Demonstration auch allegorische Elemente integriert. In unserem „Le Carrousel de Sanssouci“ werden wir das stärker akzentuieren, als es beim Original der Fall war.
War das Pferdekarussell bei Friedrich dann vor allem eine kunstvoll verpackte Machtdemonstration?
Für mich hat dieses Pferdekarussell eher etwas von der Eröffnungsfeier bei den Olympischen Spielen oder dem Auftakt einer Fußballmeisterschaft. Friedrich wollte sich hier so eindrucksvoll wie nur möglich präsentieren. Somit hat das natürlich mit Macht, aber auch sehr viel mit Pracht zu tun. Allein die Kostüme, die für das Pferdekarussell angefertigt wurden, müssen unwahrscheinlich teuer gewesen sein. Jede Goldborte, jeder Edelstein war echt, so zumindest wurde das in einer eigens dafür von Friedrich beauftragten Festschrift behauptet, damit auch die, die nicht dabei waren, erfuhren, was hier alles gezeigt wurde. Das war eine ganz klare Botschaft.
Aber nicht allein nur militärisch?
Nein, im zweiten Teil, so auch in unserem „Le Carrousel de Sanssouci“, ist ein Wettkampf zu erleben, in dem vier Parteien streiten. Für Friedrich standen diese für die vier Großmächte des Altertums, also für die Griechen, Römer, Perser und Karthager und ihre jeweiligen Helden. Diese Mannschaften machen nun unter sich aus, wer der Größte unter diese Großen ist. Alles natürlich immer in Parallelität zu Preußen, das Friedrich mindestens in der gleichen Größenordnung wie diese vier Mächte ansiedelte.
Wie groß war das Spektakel, das Friedrich im Sommer 1750 veranstalten ließ?
Da sprechen wir von etwa 200 Reitern, dazu berittene Musiker, also um die 250 bis 300 Pferde, die im Einsatz waren.
Und wie viele Pferde kommen bei den vier Aufführungen von „Le Carrousel de Sanssouci“ in dieser Woche vor dem Neuen Palais zum Einsatz?
Dagegen sind wir mit unseren 20 Pferden eine ganz kleine Nummer. Aber die Arena, in der Friedrichs Pferdekarussell damals im Lustgarten vor dem Berliner Schloss zu sehen war, war auch nicht viel größer als unsere. Aber das Drumherum muss man sich riesig vorstellen. Allein die Arena war mit 30 000 Kerzen und Laternen beleuchtet. Und aus zeitgenössischen Zeitungen lässt sich rekonstruieren, dass wohl um die 5000 Zuschauer diese Aufführung verfolgt haben müssen. Es gab einen Bereich für die geladenen Gäste, gleichzeitig war es aber auch gewollt, dass der Rest der Stadt das auch mitbekommt.
Mit Erfolg?
Ja, zwei Tage später wurde „Carrousel de Berlin“ noch einmal vor mehreren Tausend Leuten aufgeführt. Das war wirklich ein Stadtgespräch.
Was war der Inhalt, neben der militärischen Machtdemonstration, von „Carrousel de Berlin“?
Im Wesentlichen gab es das zu sehen, was auch bei unserem „Le Carrousel de Sanssouci“ gezeigt wird. Grob gesagt sind hier zwei Teile zu erleben. Im ersten hauptsächlich Repräsentationen, also Prachtentfaltung in der Ausstattung und dem, was die Pferde zeigen, die sogenannte Hohe Schule. Dazu gehört neben dem Schulspringen, was damals eine ganz erlesene Kunst war, das kunstvoll koordinierte Reiten in der Gruppe. Das ist im Grunde das, etwas vereinfacht gesagt, und ein barocker Reiter würde mir mit Sicherheit widersprechen, was wir heute unter Dressur kennen. Aber mit mehreren Pferden gleichzeitig. Bei uns werden das 12 bis 16 Pferde sein, die sich in den unterschiedlichsten Formationen wie Blumen oder Räder zeigen. Und das im besten Falle auch noch synchron zu der gespielten Musik. Dafür haben wir die Potsdamer Turmbläser und das Ensemble Celeste Sirene, also insgesamt 17 Musiker gewinnen können.
Spielen Sie die Originalmusik aus „Carrousel de Berlin“?
Nein, wir wissen zwar, wer damals gespielt hat. Aber wir wissen nicht, was sie gespielt haben. Es ist anzunehmen, dass es Märsche waren. Wir greifen hier auf Komponisten wie Carl Philipp Emanuel Bach zurück, der auch für solche Anlässe komponiert hat. Und dann sind da noch weniger bekannte Namen wie Georg Daniel Speer und Johann Heinrich Schmelzer. Komponisten aus dem 17. Jahrhundert, die genau für solche Anlässe geschrieben haben. Für die gesanglichen Passagen haben wir uns für Arien von Carl Heinrich Graun, Johann Adolph Hasse, aber auch für zwei Arien von Georg Friedrich Händel entschieden.
Das Gespräch führte Dirk Becker
„Le Carrousel de Sanssouci“ am Donnerstag, 19. Juli, Freitag, 20. Juli, Samstag, 21. Juli, Sonntag, 22. Juli, jeweils 20 Uhr, auf der sogenannten Mopke vor dem Neuen Palais. Weitere Informationen unter www.carrousel-de-sanssouci.de
Kaspar von Erffa (47), studierte Schaupiel,
Theaterregie und Dramaturgie am Mozarteum in Salzburg.
Erffa ist Regisseur, Initiator und Organisator der Höfischen Festspiele Potsdam. PNN
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