Von Heidi Jäger: Magische Schatten
Roman Polanski unterbrach kurz seine Dreharbeiten und kam auf einen Blitzbesuch ins Filmmusuem
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Gern hätte er vor seinem Besuch im Filmmuseum noch eine Dusche genommen und sich rasiert. Doch nach einem kurzen Blick ins Publikum setzt er augenzwinkernd nach: „Aber Sie haben sich ja auch nicht rasiert.“ Wie einem Jungbrunnen entstiegen, plaudert der 75-jährige Stargast Roman Polanski am Donnerstagabend vor ausverkauftem Haus munter über seine Arbeit in Babelsberg – von den Anstrengungen seines bereits 12-stündigen Drehtages keine Spur. Ungenauigkeiten in den Fragen parliert er mit Charme. Nein, es sei nicht sechs, sondern schon acht Jahre her, als er das erste Mal in Babelsberg drehte. „Aber die Zeit vergeht immer sehr schnell.“ Und er schwärmt nach dem Blitzlichtgewitter der Fotografen von den sehr schönen Drehs in Potsdam und Umgebung und wie überrascht er war, eine so hochmotivierte Crew und tolle Technik vorzufinden.
Er muss es wissen, schließlich drehte der polnische Regisseur mit französischer Staatsbürgerschaft bereits überall auf der Welt. Doch sein Babelsberger „Pianist“ brachte ihm den größten Ruhm: die Goldene Palme und den Oscar für die beste Regie. Seit diesem Goldregen hat er seinen Holocaust-Film allerdings nicht wieder gesehen, „aber ich habe sehr gute Erinnerungen daran: Vor allem gefielen mir die Emotionen auf deutscher und zugleich polnischer Seite. Es ist der einzige Film, der etwas mit meinem persönlichen Leben zu tun hatte. Das machte die Dreharbeiten sehr leicht.“ Jedes Detail habe er im Kopf gehabt, es sind seine Kindheitserinnerungen. „Alles was ich vorher gemacht hatte, kam mir vor wie eine Probe für diesen Film.“
Natürlich folgen weitere „Polanskis“: denn ein so energiegeladener, kreativer Kopf braucht Futter. Jetzt ist er erst einmal auf Thriller-Spur, verfilmt wiederum in Babelsberg und ab heute auch auf Sylt „The Ghost“ von Robert Harris. „Eigentlich war ich gerade dabei, mit Robert den Film ,Pompeij’ vorzubereiten. Aber dann kam der Schauspielerstreik und es war zu riskant, das Projekt weiter zu betreiben.“ Also wichen sie auf ein machbares Unternehmen aus: auf die Geschichte des Ghostwriters, der bislang nur über Künstler oder Fußballer geschrieben hatte und plötzlich die Memoiren des Premierministers – Ähnlichkeiten mit Tony Blair schloss Polanski nicht unbedingt aus – verfassen soll. Dafür bekommt er eine Luxusvilla auf einer Insel zur Verfügung gestellt. Dort erfährt er, dass sein Vorgänger auf mysteriöse Weise ums Leben kam. Und um so mehr der neue Schreiber darüber heraus bekommt, um so größeren Gefahren ist er ausgesetzt. „Wenn Sie noch mehr erfahren wollen, müssen Sie sich eine Kinokarte kaufen,“ bricht Polanski seine „Vorschau“ kurzerhand ab und wirft erneut seinen jungenhaft-schelmischen Blick in die Reihen.
Dann erzählt er im Gespräch mit Moderatorin Petra Castell, dass ein Drehbuch für ihn immer eine sehr genaue Gebrauchsanleitung sei. „Es enthält größtenteils alles, was ich bereits im Kopf habe. Das Schwierige ist es dann, wie ich meine Vorstellungen den anderen im Team verfügbar machen kann. Oft schieben sich neue Realitäten wie ein Schleier dazwischen. Aber ich bemühe mich, sie nicht verdrängen zu lassen.“ Nicht von den Schauspielern, nicht von der Kamera.
Besonders spannend werde es für ihn, wenn er selbst sowohl vor als auch hinter der Kamera agiere, wie in dem Film „Der Mieter“, der nach dem Gespräch im Filmmuseum gezeigt wurde. In diesem 1976 in Paris gedrehten Streifen führte er Regie und übernahm die Hauptrolle. Haarklein schilderte Roman Polanski das Procedere, wie er mit seinem Double immer wieder die Positionen wechsele. „Wenn ich die Szene technisch eingerichtet habe, bin ich ganz und gar Schauspieler und vergesse, dass ich auch Regisseur bin. Doch dann sehe ich plötzlich, dass mein Partner nicht an der richtigen Markierung steht und schon ist die Konzentration weg.“ Und so sei man im Nu beim 28. Take und könne sich nur noch sagen, das ist jetzt das Problem des Produzenten. „Also fängst du mit dem 29. Versuch an – und siehst plötzlich, dass du einen Schatten auf den Partner wirfst. So geht es weiter und weiter.“
Und schon greift Polanski seine Blumen und entfleucht mit strubbeligem Haar zur nächtlichen Drehschicht nach Babelsberg. Dem Publikum hinterlässt er ganz andere Schatten: die seiner „Mieter“. Eine schwere Kost nach dem leichtfüßigen Überflug des berühmten Gastes. Auf der Leinwand zeigt sich Polanski nunmehr als der schüchterne, gut rasierte Büroangestellte Trelkovsky, der nach und nach durch die feindselige Gesellschaft seiner Nachbarn in den Wahn getrieben wird. Nach der Vorstellung scheinen selbst im friedlich zugeschneiten Potsdam Monsterköpfe zu tanzen. Das Kino Polanskis wirft lange magische Schatten.
„Die Mieter“ sind am Montag, den 23. Februar um 18 Uhr noch einmal im Filmmuseum zu sehen.
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