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Kultur: Magischer Realist

Bücherpremiere Rainer Simons im Filmmuseum

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Bücherpremiere Rainer Simons im Filmmuseum Zwei deutsche Staaten, zwei Leben, zwei Bücher. Der 1985 mit einem Goldenen Bären ausgezeichnete DEFA-Regisseur Rainer Simon, einer der erfolgreichsten Filmemacher der DDR, wie der Filmkritiker Knut Elstermann am Mittwoch zur doppelten Buchpräsentation im Filmmuseum hervorhob, hat eine künstlerische Zerrissenheit, das zeitgleiche Ja und Nein, ein im selben Moment spürbares Vorher und Nachher, lange genug erfahren. Vielleicht hat er daran bis vor kurzem auch gelitten. Dann hat er die zwei Bücher geschrieben. Einmal seine Autobiografie „Fernes Land“ (Aufbau Verlag), bei der er sich auf die Suche nach dem gemacht hat, „was war“. Simon beschreibt darin, teilweise gestützt auf die schmutzigen Erkenntnisse aus dem Studium seiner Stasi-Akten, sein Leben als Regisseur, das mit dem mehrjährigen Verbot seines Films „Jadup und Boel“ eine deutliche Zäsur erfuhr. Mit seinem zweiten Buch, dem Roman „Regenbogenboa“ (Schwartzkoff Buchwerke), so erzählte Simon, hat er sich auf die Suche nach dem begeben, „was ist“. Simon, dessen filmische Handschrift, das Erzählen auf verschiedenen Zeitebenen unter Einbeziehung mehrdeutiger, bildstarker Metaphern so gar nicht einzugrenzen war von dem geforderten sozialistischen Realismus, fand im Urwald von Ecuador zu seiner inneren Entsprechung. In Südamerika mit seinen Mythen, fremden Wesen und Schamanen, stieß Simon endlich auf eine „Realität, in der die Grenzen fließend sind“ und „Dinge, die nicht jeder sehen konnte“: darunter wassergeborene Minotauren und blutsaugende Spannfedermännchen. Im Urwald Ecuadors erfuhr der Regisseur, dass die verstörenden Bilder, die er Zeit seines Lebens in sich trug und die er zu seinem „magischen Realismus“ formte, tatsächlich existieren können. „Eine ungemeine Bereicherung“ sei diese Erfahrung. „Bei schamanischen Ritualen“, so Simon weiter, „haben sich Dinge ereignet, die ich nicht geglaubt habe.“ Auf riesige Goldfunde, mit denen Simon vielleicht doch noch einen Film finanzieren könnte, wie der Schauspieler Jörg Gudzuhn, mit Augenzwinkern vermutete, war Simon am Amazonas gewiß also nicht aus. Der Regisseur verzichtete nach der Wende darauf, „irgendwelche Auftragsarbeiten“ auszuführen, für eine Fortsetzung von „Jadup und Boel“ fand er keine Geldgeber mehr. So blieb „Fernes Land Pa-isch“ (1993) sein einziger Spielfilm nach der Wende. Weil ein korrupter Filmverleih den Vertrieb blockierte, mußte Simon sieben Jahre bis zu dessen Aufführung warten. Genauso lange, wie „Jadup und Boel“ in der DDR unter Verschluß gehalten wurde. Immer häufiger, bedauerte Elstermann, würde die Leistungen der DEFA auf die Filme „Paul und Paula“, „Spur der Steine“ und „Der kleine Muck“ reduziert. Jörg Gudzuhn berichtete von einem Empfang zu Roland Gräfs („Fallada – letztes Kapitel“) Geburtstag: „Die jungen Leute dort kannten den Mann gar nicht“. Wieviel Filmgeschichte bei DEFA-Regisseuren wie Frank Bayer, Roland Gräf, Heiner Carow oder eben Rainer Simon zu entdecken sein kann, zeigte Elstermann mit dem Hinweis auf „Die Besteigung des Chimborazo“ von 1988. Simon, der für diesen Film über Alexander von Humboldt überhaupt zum ersten Mal mit Südamerika in Berührung kam, sparte Hinweise auf die Homosexualität des Universalgelehrten nicht aus. Mithin eine frühere Darstellung des Themas für das DDR-Kino als bei Heiner Carows „Coming Out“, wie allgemein angenommen. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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