Kultur: Mal schützende, mal tröstende Hand
Peter Hartwig ist Produzent der Dresen-Filme, auch von „Wolke 9“, der jetzt in die Kinos kommt
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Seine Kollegen nennen ihn liebevoll „Petering“. Denn Produktionsleiter Peter Hartwig ist nicht nur der Mann fürs Geld, Seelentröster und Kindermädchen. Er ist zugleich Anwalt des guten Geschmacks und der richtigen Würze. Die Dreharbeiten zu „Wolke 9“ unterfütterte er täglich mit einem Drei-Gang-Menü. Und „Ossobuco a la Milanese“ – seine spezielle Kalbshaxe – war nur eine der Delikatessen, mit denen er das 12-köpfige Team kulinarisch bei Laune hielt. Wie schon bei dem Silbernen Bär-Gewinner „Halbe Treppe“ zog er an der Seite von Regisseur Andreas Dresen ohne Drehplan und Disposition, aber befreit von allem Ballast, hinaus, um der Liebe und dem Sex im Alter filmisch auf die Spur zu kommen. Auf engstem Raum wagte sich die Mini-Crew an die Schmerzgrenze, „es war das Mutigste, was wir uns bisher zutrauten“, so der Babelsberger. „Jeder Satz, der gesprochen wurde, ergab sich aus Improvisation und dem Klima rings um die Kamera. Es war eine wunderbare Zeit.“ Es sei gewesen, als würde eine Rock“n“Roll Band im Studio eine Platte aufnehmen: „Man arbeitet sich von Note zu Note, von Takt zu Takt. Jeder spielt sein Instrument und am Ende steht das schönste Album.“
Für ihr „Album“ ernteten sie in Cannes beim Filmfest nicht nur stehende Ovationen, sondern auch den Zuschauerpreis. Die dem großen Kinopublikum kaum bekannten Theaterschauspieler Horst Westphal, Horst Rehberg und Ursula Werner, die diese kompromisslose Dreiecksgeschichte spielen, wurden noch einmal geadelt. „Zwar ist Cannes eine Mischung aus Oktoberfest und Las Vegas, aber wenn man den Saal betritt, spürt man eine große Achtung vors Kino.“
Diesen Film, der Montag im Thalia beim Aktuellen Potsdamer Filmgespräch vorgestellt wird, hätte Andreas Dresen vor zehn Jahren noch nicht gemacht, ist sich Peter Hartwig sicher: „Aber mit 45 denkt man allmählich über das Älterwerden nach. Doch gerade ein Schauspieler wie der 78-jährige Horst Westphal, der einen 16-jährigen Sohn hat und noch vor kurzem mit seiner Frau Marathon lief, nimmt einem auch die Angst davor,“ so der 44-Jährige.
Schon nach „Halbe Treppe“ klingelte immer wieder Peter Hartwigs Telefon, wollten Regisseure und Produzenten das Erfolgsrezept wissen. Doch dies sei nicht kopierbar. „Man muss eine Gemeinschaft bilden, die sich extrem gut kennt und in der jeder mit größtem Selbstverständnis alles macht.“
Trotz der Intensität der zweimonatigen Dreharbeiten zu „Wolke 9“ habe er sich viel freier als bei „Whisky mit Wodka“ gefühlt, den er gleich anschließend mit Andreas Dresen produzierte. „Hier konnten wir uns nicht die Freiheit nehmen, mal einen Tag zu pausieren. Mit 4,3 Millionen Euro ist er unser bislang aufwändigster Film. Allein ein Drehtag kostete 100 000 Euro mit Schauspielern und Komparsen.Wir rückten mit 70 Leuten und zehn LKW in Binz an: wie eine Armee, die in den Krieg zieht.“ Dieser Film mit großen Darstellern wie Henry Hübchen und Corinna Harfouch erzähle nach einem realen Fall über einen Schauspieler mit Alkoholproblemen. Es ist ein Film im Film, und dafür drehte Dresen das erste Mal auch im Studio. „Jetzt gehen wir in den Feinschnitt“, und Anfang nächsten Jahres soll diese tragikomische Alltagsgeschichte um Selbstverwirklichung und Gebrauchtwerden in der Arbeit und in der Liebe ebenfalls in die Kinos kommen.
Peter Hartwig hat das große Privileg, sich seine Projekte aussuchen zu können. Dazu gehörte auch der neue Film von Andreas Kleinert, der wie er und Dresen ebenfalls an der HFF studierte. Gerade wurde „Haus und Kind“ abgedreht. Und auch da war Peter Hartwig von Anbeginn mit dabei. „Ein Regisseur braucht Begleiter auf so einer schwierigen Reise: Mal eine schützende, mal eine tröstende Hand. Und immer auch die Meinung des anderen. Es gibt keinen Film, der ohne Probleme entsteht. Filme sind immer wie eine Reise in den Wilden Westen, man weiß nicht, ob man ankommt“, zitiert er den französischen Filmemacher Truffaut.
Für diese Tragikomödie über die Schwierigkeit zu lieben, die im Herbst 2009 in der ARD und vorab bei ARTE läuft, schrieb wie bei „Sommer vorm Balkon“ und „Whisky mit Wodka“ Wolfgang Kohlhaase das Drehbuch. „Mit einem solchen Autoren und Menschen arbeiten zu können, ist wie ein Geschenk. Durch seine Filme wurden wir geprägt.“ Und er erinnert an Streifen wie „Solo Sunny“.
Peter Hartwig ist schon seit Kindesbeinen mit dem Filmmetier vertraut. Auch sein Vater war Produktionsleiter und legte wohl beiläufig für den Sohn die Spur. Allerdings lernte der zuerst das Drucker-Handwerk. Und landete dann doch in den Filmstudios nebenan. Er eroberte sich als Produktionsbote das Terrain und verließ es wieder, um an der HFF, einen Steinwurf weiter, zu studieren. Seit dieser Zeit ist er mit Andreas Dresen eng befreundet, und beide wissen sehr genau, Arbeit und Privat zu trennen. „Ich muss den Finanzrahmen im Kopf haben, der Regisseur das Konzept des Films. Diese Interessenslagen gilt es abzuwägen. Andreas ist durchaus dankbar für die Leine, wenn man ihn mal zurückzieht. Das Angenehme an ihm ist seine Herzlichkeit, die er auf die Mitarbeiter überträgt. Er tut keinem weh, und das ist eine menschliche Qualität, die man nicht überall in der Branche findet.“
Dennoch leidet Peter Hartwig permanent an Schlafproblemen: „Bei Wolke 9 war es die psychische Anspannung, bei Whisky mit Wodka der finanzielle Druck. Routine gibt es nicht. Und das ist gut so, sonst wäre es langweilig. Ich habe dafür das große Privileg, an Orte zu kommen, wo andere nicht mal Urlaub machen können. Das lässt auch die schlaflosen Nächte verkraften.“ Außerdem müsse man wissen, dass auch der beste Film im Kino floppen kann: „sei es wegen anderer guter Filme, wegen des Wetters oder des Sports.“
Um die Aufregung vor dem offiziellen Filmstart von „Wolke 9“ am 4. September beiseite schieben zu können, greift Peter Hartwig mal wieder zum geliebten Kochlöffel. „Das entspannt. Und zudem macht es Freude, andere zu verwöhnen.“ Nicht zuletzt seine Lebensgefährtin Cooky Ziesche und ihre beiden fast erwachsenen Kinder. Da Cooky Ziesche, die ebenfalls zur eingeschworenen „HFF-Mannschaft“ gehört, fast alle Dresen-Streifen und auch den neuen Kleinert-Film dramaturgisch betreut, gehört zum guten Essen fast immer das Thema Film als Beilage dazu. „Wir haben nun mal Berufe, die nie aufhören.“
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