
© Andreas Klaer
Kultur: Malen gegen die Rattenrennerei
Der Student Falk Grever stellt im „KunstWerk“ aus
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Sie wirken skizzenhaft, wie aus dem Leben herausgerissen. Flüchtige Momente, dem Alltag abgetrotzt. Und doch klingen diese Bilder nach: wie eine melancholische Melodie der Verweigerung. Falk Grevers lehnt sich auf gegen den Wahn der Beschleunigung. Er zeigt diesen kantigen hastenden Mann, der wie ein Roboter zum verheißungsvollen Vorhang eilt, ohne zu wissen, was sich dahinter verbirgt. Diese auf Pappe leichthändig hingeworfenen figürlichen Gedankenspiele tauchen den Raum im „KunstWerk“ in eine leise Nachdenklichkeit.
Hier ruft ein junger Mann, gerade mal 27 Jahre alt, dazu auf, innezuhalten, sich nicht vom Stress des Alltags willenlos jagen zu lassen. Der Student der Freien Universität Berlin, der lieber im ruhigen Potsdam als im hektischen Berlin wohnt und Kunstgeschichte studiert, will ihn sichtbar machen: diesen Druck, diese „Rattenrennerei“, wie er ihn nennt. Er spürt ihn selbst und beobachtet ihn an seinen Kommilitonen. Seine Kreidemalerei erzählt pointiert und in sich überlappenden Schichten, wie schwer sich dieses Zeitkorsett trägt, zumal wenn man nebenher arbeiten muss, um Studium und Miete finanzieren zu können.
Grever malt Bilder, die ganz eigensinnig verarbeiten, was Statistiken längst ausweisen: Denn rund 23 200 Studierende haben 2010 die psychologischen Beratungsstellen des deutschen Studentenwerks besucht. Die Zahl der Beratungen hat sich seit 2003 verdoppelt. Auch der aus Strausberg stammende Grevers ist hin- und hergerissen: Er will fertig werden, denn das Bafög läuft aus. Aber er will auch viel mitnehmen in seinem Studium. „Alles ist in den drei Jahren reingepresst, aber ich habe das Gefühl, ich weiß noch nichts.“ Um seine Hausarbeit fertigzubekommen, hat er jetzt eine Malpause eingelegt. Für Grever ist diese Situation der Studenten austauschbar und ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Wenn er über seine Bilder spricht, ist er ganz der Kopfmensch. Doch in seinen Bildern spürt man das Gefühl des Augenblicks, eine expressive Spontanität. Dabei sind die Farben, zu denen Falk Grever greift, durchaus warmtönend – und irritierend zu den kantigen, hohläugigen Figuren, denen er auf der ausgerissenen Wellpappe eine flüchtig scheinende Existenz verschafft. „Pappe ist eine Superstruktur für Kreide und dazu noch billig und immer verfügbar“, so Grever. Und sie hat etwas Rebellisches, Subversives an diesen weißen klaren Wänden.
Seit dem Abitur spürt er diesen Existenzdruck. Aber seine Gedanken treiben ihn weiter, diesen schmalen jungen Mann mit Wollmütze, Kapuzenshirt und Halstuch. Auch das Äußere, die Mode, ist für ihn ein wichtiges Thema in dieser Anpassungsmaschinerie. „Jeder will so einzigartig sein und fügt sich doch ein.“ Falk Grever versucht, gegen den Strom zu schwimmen und sieht sich doch mittendrin. Aber er versucht es wenigstens: auf die eigene Stimme zu hören. Und so guckt dem gehetzten Mann auf seinem Bild ein blutvolles Herz aus der Brusttasche.
Der junge Maler, der mit erstaunlich unterschiedlichen Werken in seiner ersten Ausstellung bereits drei Räume im „KunstWerk“ zu füllen vermag, bekennt sich zu seinem künstlerischen Vorbild Jean-Michel Basquiat. Gleich am Eingang zur Ausstellung ist er zu sehen: mit zermartertem Kopf, der auseinanderzuspringen droht. Basquiat eckte mit seiner Gesellschaftskritik im New York der 80er Jahre gemeinsam mit Andy Warhol und Keith Haring an. Nicht nur dieses politische Einmischenwollen hat Grever von Basquiat übernommen. Auch die durchgestrichelte Linie, die sich wie Antennen auf mehreren seiner Bilder wiederfinden. „Die habe ich von ihm geklaut“, gibt er freimütig zu. Man streicht etwas weg, nimmt es zurück und trotzdem bleibt etwas übrig. Dieser Gedanke gefiel ihm.
Bei Falk Grever ist zu spüren, dass er auf der Suche ist. Er probiert viel aus, malt ganz akkurat Vögel, dann wieder abstrakt brodelnde Farbschäume. Und es gibt auch einen Raum mit stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Fotografien, die von Zweisamkeit und Nähe erzählen. Diese Arbeiten wirken ruhiger, sanfter. Sie sind vor der brodelnden Zeit der Malerei entstanden, vor der Zeit „als wir vergaßen zu sein“, wie Grever seine Ausstellung überschrieben hat. Heidi Jäger
Im „KunstWerk“ bis Sonntag, 24. Februar, Mittwoch bis Sonntag, 15 bis 19 Uhr, Hermann-Elflein-Straße 10
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