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Kultur: Mann und Frau und so

Missverständnisse: Im Herbstsalon der Galerie am Neuen Palais findet man spannende Porträts

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Das skurrile Paar entdeckt man ziemlich spät. Das Bild von der Frau und dem Mann an der Bar hängt ganz hinten in der Galerie am Neuen Palais: Er lehnt über dem Tresen, massig, kahler Kopf, in der Hand ein Bier. Sie sitzt mit Rotwein daneben, eine Blonde mit tiefem Ausschnitt, volle Brust, Zopf, rundes Gesicht. So sitzen sie dicht nebeneinander, richten den Blick nach vorn, ins Leere. Als würden sie allein da sitzen. Er ohne sie, sie ohne ihn. Nur die Ringe an ihren Fingern verraten, dass da irgendwann einmal mehr gewesen sein muss. „Frühschoppen“. So hat der Osnabrücker Künstler Robert Meyer sein realistisches, an eine überzeichnete Fotografie erinnerndes Gemälde genannt. Man denkt an einen Kater vom Leben, an vergangene Liebe, Einsamkeit.

Das einprägsame Paarporträt ist gerade noch rechtzeitig fertig geworden für den Herbstsalon in der Galerie. Fast 20 Künstler stellen unter dem Thema „Kleine Missverständnisse“ zeitgenössischen Realismus aus. Viel Kunst aus Berlin und Brandenburg – Ines Arnemann ist dabei, Ralf Bergner und Luise Dewerny –, aber auch aus Osnabrück, Chemnitz und Kassel. Stellwände grenzen die Künstlerräume voneinander ab, das schafft Übersicht. Und das macht Lust, sich auf die einzelnen Künstler einzulassen. Auf ihre Beziehungsgeschichten, ihre einfühlsamen Porträts und ihre symbolischen Bilder zur Zeitgeschichte. Dabei kommt man schnell darauf, dass der Titel „Kleine Missverständnisse“ sehr untertrieben ist.

Gleich am Eingang die politischen Andeutungen von Rolf-Dieter Siedersleben. Kleine Formate, die in Rätselform große Übel der Welt auf die Leinwand bringen – und dabei dann doch einige Fragen offen lassen. Man sieht zum Beispiel einen liegenden, wohl toten Spatz, daneben so etwas wie einen Knopf. Und der Bildtitel erklärt, dass es um „Mao und die große Revolution“ geht. „Psst, Opa erzählt uns vom Krieg“ zeigt einen majestätischen Sessel mit Orden, rot und leer. Ungewöhnlich das Stillleben mit Rosenkohl, das Siedersleben „Deutsche Tafel“ nennt: „Herkunftsland Deutschland“ steht darauf, die 1 ist durchgestrichen. Der deutsche Kohl ist dem Künstler heute nicht mehr als Klasse 5 wert. Unschuldig setzt sich ein feiner, gelber Schmetterling auf das naturalistische, grüne Übel.

Die Arbeiten der Berliner Künstlerin Luise Dewerny ziehen von weitem den Blick auf sich. Auf drei Bildern hat sie in kühlen Farben (Grün, Schwarz und Weiß) und groben Pinselstrichen ein Paar dargestellt. Kleine Frau, großer Mann. Auf einem Bild steht er wie ein Schatten hinter ihr, auf dem nächsten trägt er sie, auf dem dritten sitzt sie auf seinem Schoß. Immer wirkt sie schwach. Sie stützt sich auf ihn, lehnt sich an ihn, schlingt den Arm um seinen Hals. Er scheint da weniger Hingabe bedürftig – und doch seltsam janusköpfig: Er legt beschützend seine Hand um sie. Sein Gesicht aber wendet er von ihr ab.

Ganz anders die Bilder von Axel Gundrum, einem Osnabrücker Maler, der seit einem Jahr in Potsdam lebt. Kein freier Platz auf „Die Vertreibung der tugendsamen Alten“. Urwaldmenschen, rankende Pflanzen, seltsame Figuren in unnatürlicher Körperhaltung. Im Vordergrund, groß, eine Nackte mit kreisrunden Brüsten. Weiter hinten ein Mann mit einem Penis, der fast bis zu den Knien hängt. Die Figuren blicken aus dem Bild. Der Gruppe alter, nackter Menschen im Hintergrund, die mit ihren neugierigen Blicken an eine Reisegruppe erinnern, haben sie den Rücken zugekehrt. Lange kann man vor dem Bild stehen und versuchen, sich die Geschichte aus ihren Teilen zusammenzusetzen. Und bei Axel Gundrums Bild macht das auch Spaß.

Lange kann man hingegen vor dem „Bildungsburger“ der Bayrischen Künstlerin Monika Pfohl stehen – und wird trotzdem nicht viel entdecken. Bücher zwischen zwei Brötchenhälften. Zu plakativ. Und auch ihre bunten Flaschen im Licht haben wenig Tiefe. Sie sind ästhetisch, schön fürs Wohnzimmer, nicht mehr. Aber solche Bilder sind in der Schau selten.

Diese Bilderschau ist wie ein spannender Spaziergang durch Innenwelten: die von Mann und Frau und die der Künstler.

bis 11. Dezember

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