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Kultur: Märkischer Ton – der Stoff aus dem die Metropole besteht

Ausgewählte Exponate von „Mark und Metropole“ im Kutschstall (6) / Von Andreas Bernhard

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Nichts verband im 19. Jahrhundert Brandenburg mehr mit der Metropole, als die Baustoffe, die im Lande produziert wurden und aus denen die Metropole bauliche Gestalt annahm. An erster Stelle ist der Mauerziegel zu nennen, aber auch Dachziegel, Ofenkacheln, Bauholz, Putzträgermatten aus Schilfrohr und Kalk/Zement waren das aus Brandenburg gelieferte Rohmaterial der Berliner Häuser. Der Ausbau Berlins zur „größten Mietskasernenstadt der Welt“ wäre nicht denkbar gewesen ohne die märkischen Tonvorkommen und die daraus milliardenfach produzierten Ziegel.

Die Entwicklung des 1859 patentierten Ziegel-Ringofens durch Friedrich Eduard Hoffmann bedeutete eine Revolution in der Baustoffproduktion, denn dieser Ofentyp ermöglichte es erst, die benötigten Steinmengen für Berliner Baustellen in kurzer Zeit zu produzieren. Er hatte einen kreis- oder ellipsenförmigen Grundriss mit zentralem Schornstein. Die bis zu 20 angeschlossenen Brennkammern konnten unabhängig befeuert werden. Die Öfen wurden Tag und Nacht beschickt, was eine gewaltige Steigerung der Produktion ermöglichte.

Die Zentren der Ziegelindustrie ergaben sich durch die Qualität der Tonvorkommen. Somit wurden Glindow für die gelben und Rathenow für die roten Steine geradezu Synonyme für Qualitätsziegel. Die Ziegelproduktion brachte Brandenburg eine flächendeckende Veränderung im Sinne industrieller Strukturen, die durch andere Industriebetriebe nicht hätte erreicht werden können. Immer neue Tongruben wurden errichtet und verkehrstechnisch besonders an das Wasserstraßennetz angeschlossen, in dem man die nahe liegenden Seen mit Kanälen verband. So entstanden auch in gänzlich abgelegenen Regionen kleine industrielle Betriebe. Die Entwicklung Berlins zur Metropole blieb also nicht ohne Auswirkungen auf Brandenburg. Mit den Baustoffen änderte sich auch das Erscheinungsbild der märkischen Orte. Statt des Grau-Brauns der vorindustriellen Häuser aus Holz, Lehm, und Reet dominierte nun das Rot der Ziegeldächer und die Farbigkeit der Fassaden mit Stuck- und Ziegelornamenten.

In der breiten Palette der keramischen Produkte, die im 19. Jahrhundert – beispielsweise für die Abwasser-Rohrnetze der Städte – produziert wurden, hat die Ofenkachel eine besondere Bedeutung. Die massenhafte Produktion serieller Kachelöfen war in Brandenburg dahingehend eine Besonderheit, weil sie überwiegend an einem Ort stattfand, in Velten. Grundlage dafür waren die westlich des Ortes gelegenen Tonvorkommen. 1835 wurde eine erste Ofenkachel-Fabrik gebaut, zur Jahrhundertwende war der wirtschaftliche Höhepunkt Veltens erreicht, als etwa 40 Fabriken jährlich insgesamt 100 000 Kachelöfen produzierten. Abnehmer der Kacheln und Zierteile waren überwiegend Mietshaus-Bauherrn in Berlin, die dort ihre Produktwahl anhand von Musterbüchern und Ofenmodellen treffen konnten. Doch die Veltener Produkte blieben nicht nur regional von Bedeutung. Durch die Erfindung der weißen Schmelzglasur erfuhren sie europaweit Berühmtheit.

An das Eisenbahnnetz wurde Velten erst 1893 angeschlossen, bis dahin hatten die typischen Kachelwagen mit ihrer großen Last eine vergleichsweise große Strecke vom Produktions- zum Zielort zurückzulegen. In beinahe ununterbrochener Folge zogen die Wagen von Norden nach Berlin, wo sie geradezu zum Stadtbild gehörten. Das wohl Anfang des 20. Jahrhunderts entstandene Ölgemälde von „Velten in seiner Blütezeit“ (siehe Abbildung) gibt uns eine Ahnung davon.

Andreas Bernhard ist Kurator der Ausstellung „Mark und Metropole“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte.

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