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Kultur: Martialisch-melancholisch

Sinfonisches mit dem Landespolizeiorchester

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Eines ist sinfonische Bläsermusik auf keinen Fall: Garnierung einer Volksfestgaudi im Bockwurstambiente. Stattdessen ist sie eine höchst anspruchsvolle Kunstgattung, die sich aber nicht des Populären entsagt. Ihr huldigt verstärkt das Landespolizeiorchester Brandenburg unter Leitung von Peter Vierneisel.

Zu seinem 2. Sinfonischen Bläserkonzert trat es zu sonntagnachmittäglicher Stunde im leider nur spärlich besuchten Nikolaisaal auf. Traute man den Musikern in Uniform etwa keine große Kunst zu? Wo sonst die ersten Geigen sitzen, waren als ihr „Ersatz“ die Klarinetten platziert; die Saxophone übernahmen den Part der Celli, die Flöten den der Bratschen Ein einsamer Kontrabass vertrat die Geigenfamilie; für eine weitere aparte Klangfarbe sorgte mitunter eine Harfe.

„Die sinfonische Bläsermusik entwickelt sich stets aus der Volksmusik des jeweiligen Landes heraus“, suchte der Dirigent dem Publikum das Geheimnis der Gattung zu ergründen. Die Melodien seien „unterhaltsam und volksnah“. Man konnte es wahrlich hören. Dass er sich auch verbal für das Genre einsetzt, ehrt ihn. Doch im Eifer des Gefechts gerät er, der langatmige Texte über Stücke und Komponisten brav vom Blatt abliest, in die Nähe eines Zeigefingerpädagogen. Schien er das Konzert mit einer Promotionveranstaltung für des Orchesters neueste CD-Einspielung verwechselt zu haben? Immer wieder wird Politikern und Mäzenen namentlich für ihre Anwesenheit und Unterstützung lobhudelnd gedankt. Selbst ein anwesender Arrangeur bleibt nicht unerwähnt, muss sich der Menge zeigen. Sollte die Musik nicht für und durch sich selbst sprechen?!

Sie tut es in Gestalt der Sinfonie Nr. 3 „Die Slawische“ für sinfonisches Blasorchester von Boris Koschewnikow (1902-1988). Dem rasanten Start mit eifrigem Rühren der kleinen Trommel folgt ein sentimentaler Seitengedanke. Diesem Wechsel von Martialischem und Melancholischem geben sich die Musiker lustvoll hin.

Im Trompetenkonzert von Alexander Arutjunjan (geb. 1920) ist dagegen die instrumentatorische Vielfarbigkeit des Originals durch die Bearbeitung (Viktor Hudoley) ein wenig verloren gegangen. Der virtuosen Anlage des Soloparts entspricht Falk Maertens (Solotrompeter des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin) mit strahlendem und glanzvollem Ton. In den elegischen Abschnitten versprüht er fast französisches Flair; in den schnellen Passagen brillierte er mit kraftvollen Attacken

Dagegen muss man sich an die Bearbeitung des Konzerts für Violoncello und Orchester „Kol Nidrei“ op. 47 von Max Bruch (1838-1920) durch Siegmund Goldhammer erst gewöhnen. Zwei hebräische Themen verschmelzen miteinander, schwelgen ohn“ Unterlass im breiten, gefühlvollen Strom der Melodien. Des Singens scheint kein Ende. Dass es nicht im Kitsch ertrinkt, ist dem Cellisten Jan Hendrik Rübel zu danken. Mit seinem dunklen, warm getönten und dennoch klaren Ton erzeugt er gleichsam eine mit (Klang-)Sahne garnierte Mousse au chocolat. Die folgenden „Lieder aus dem östlichen Winkel“ für Blasorchester, die dem Konzert als Programmtitel dienen, entstammen der Feder des Tschechen Pavel Stanek (geb. 1927). Ein böhmisch-mährischer Tonfall ist tatsächlich nicht zu überhören. Die vier Sätze bevorzugen die große heroische Geste genauso wie sentimentale Betrachtungen. Ihr nehmen sich die Musiker mit Hingabe an.

Auch in Ausschnitten aus der Operette „Moskau-Tscherjomuschki“ von Dmitri Schostakowitsch (1906-1976) trumpfen sie mit Schmiss und lärmendem Schnäddereteng auf. Viel Beifall, keine Zugabe.

Peter Buske

Peter Buske

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