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Kultur: Mehr auf Reisen als im Studio

Das Deutsche Filmorchester Babelsberg tritt im 90. Jahr seines Bestehens so häufig auf wie nie zuvor

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Intendant Klaus-Jürgen Beyer atmet beim Blick in den Terminkalender tief durch. Soeben ist die Sommertournee seines Deutschen Filmorchesters Babelsberg gestartet, und Beyer stellt zufrieden fest: „Keinen Tag frei bis Herbst.“ Auftritte gibt es unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen sowie in Polen. Das Orchester ausBabelsberg ist im 90. Jahr seines Bestehens wieder gut im Geschäft. Nicht nur Auftritte im In- und Ausland wechseln sich ab, auch die eigentliche Bestimmung, das Vertonen von Filmen, läuft gut. Grund sind vor allem die musikalischen Qualitäten.

Nach 15 Jahren des „Exils“ in den Sendesälen des ehemaligen DDR-Funkhauses Nalepastraße in Berlin-Schöneweide wirken die Musiker, Techniker und Organisatoren seit diesem Jahr wieder in Potsdam auf dem Babelsberger Studiogelände. Ganz traditionsbewusst befindet sich das Domizil im 1932/33 errichteten Synchronhaus. Dort hatte der 1918 gegründete Klangkörper nach Einführung des Tonfilms selige und unselige Ufa-Zeiten miterlebt, später die DEFA-Gründung im Mai 1946, das DEFA-Schaffen zu DDR-Zeiten und nach der Wende fast die eigene Auflösung.

Der Backsteinbau beeindruckt nicht nur mit Accessoires der Bauhaus-Zeit, er beherbergt auch den wieder hergerichteten Orchestersaal. „Da dieser wie das Haus denkmalgeschützt ist, rekonstruierten wir so viele historische Details wie möglich“, sagt Beyer. Knapp 1,8 Millionen Euro kostete der vom Land Brandenburg finanzierte Umbau. Trotz des historischen Ambientes finden Orchester und Produzenten hier alles, was die Welt der digitalen Technik hergibt. Beyer zufolge sprachen sich vor allem die beiden zusammenschaltbaren Regieräume als technisch äußerst innovativ herum.

Auch Ministerpräsident Matthias Platzeck ist stolz: „Ich freue mich, dass das Deutsche Filmorchester Babelsberg wieder dort angekommen ist, wo es herkam und wo es hingehört. In Babelsberg liegen seine Wiege und Zukunft“, betont Platzeck.

Die Definition vom „einzigen Orchester seiner Art in Europa“,streicht auch Orchesterinspektor Alexander Koderisch heraus. Der ehemalige Cellist registriert, dass das Orchester 2008 mehr auf Reisen als im heimischen Studio ist. „Neben durchschnittlich acht bis zehn CD-Produktionen geben wir rund 80 Konzerte pro Jahr“, sagt er. Dazu zählt die Live-Untermalung von Stummfilmen ebenso wie manch prominenter Fernsehauftritt oder – auch als halbiertes Orchester – die Begleitung bekannter Interpreten. „So häufig wie nie zuvor treten wir auf", sagt Intendant Beyer. Das Filmorchester ist nicht nur mit Ben Becker und dessen Bibelshow unterwegs, immer wieder schmückt es Open-Air-Festivals und begleitet Klassik-, Tanz- sowie Theaterabende. „Wir sind beim Publikum mehr als gewollt“, betont der Orchesterchef.

Mit einer Quote von 75 Prozent des insgesamt rund zwei Millionen Euro umfassenden Budgets erwirtschafte sein Team einen Eigenanteil, der in Deutschland als einer der höchsten gilt. Die anderen Kosten für den Betrieb fördert seit vier Jahren das Land mit knapp 400 000 Euro jährlich, weitere rund 300 000 Euro kommen vom RBB. Trotzdem zehre der Klangkörper von der Substanz. „Zum Vergleich: Ein Rundfunkorchester dieser Größe würde laut Tarif vier Millionen Euro erhalten“, erläutert Beyer. Andererseits strebe seine Truppe keine solche Vollfinanzierung an, vielmehr würde sie mit „soliden zwei Millionen Euro dauerhaft gut klarkommen“. Torsten Hilscher

Das Filmorchester musiziert während der James-Bond-Nacht am 1. September im Nikolaisaal

Torsten Hilscher

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