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Kultur: Mehr die Arbeiter- als Ordensfraktion

Der Potsdamer Regisseur Andreas Dresen erhielt gestern das Bundesverdienstkreuz am Bande

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Ab wann hat man wohl das richtige Alter für den höchsten Orden der Bundesrepublik? Andreas Dresen fühlt sich jedenfalls zu jung, mit seinen 44 Jahren schon das Bundesverdienstkreuz am Bande ans Revers geheftet zu bekommen. Als er die Nachricht darüber in seinem Briefkasten vorfand, war er völlig perplex. „Ich bin ein alter Ostler. Da fragte ich mich zudem: Bist du so angepasst, dass dir der Staat einen Orden verleiht?“ Wohl mitnichten. Seine Filme sprechen eine andere Sprache und auch Laudator Matthias Platzeck hob gestern die „gnadenlose Ehrlichkeit“ des Potsdamer Regisseurs hervor. „Seine Filme zeigen das Auf und Ab des Lebens.“ Gerade in der Zeit starker sozialer Polarisierung nähere er sich der harten Realität des Alltags: „Seine schonungslose Offenheit entbehrt dennoch nicht der Hoffnung.“ Die Möglichkeiten des Scheiterns seien auch mit Möglichkeiten des Neuanfangs verbunden. Der brandenburgische Ministerpräsident bezeichnete Dresen, der sich auch sehr für den Nachwuchs und in zahlreichen Jurys ehrenamtlich engagiere, als eine Identifikationsfigur, die trotz der großen Erfolge mit Filmen wie „Stilles Land“, „Nachtgestalten“ oder „Sommer vorm Balkon“ immer mit dem Filmstandort Brandenburg-Berlin verbunden geblieben ist. „Er ist ein authentischer Werbeträger für Land und Leute.“

Dieser „Werbeträger“ hatte gestern erst einmal zu tun, kurz vor dem großen Staatsakt seine ungewohnte, festliche Garderobe zurecht zu zuppeln, die so gar nicht zu dem bekennenden Jeans-Träger passen wollte. „Wir gehören mehr zur Arbeiter- als zur Ordensfraktion“, sagte er lachend nach der Verleihung über sein Filmteam. Und so war es wohl auch nicht verwunderlich, dass aus seiner Mannschaft, mit der er sonst immer geschlossen auftritt kaum jemand auszumachen war. „Ich werde mir ohnehin den Spott meiner Freunde anhören dürfen. Das wollte ich hier vermeiden.“

Dennoch trug Andreas Dresen die Last der Ehre, die übrigens kein Jann Jakobs oder ein anderer Vertreter der Stadt mit ihm teilte, in gewohnt heiterer Lockerheit. Sicher lag das mit an dem vertrauten Ort der Filmhochschule, wo er schließlich – wenn auch in einem anderen Gebäude – seine ersten filmischen Schritte ging und die „aufregenden und spannenden Zeiten“ der Wende erlebte. Eine Hochschule, mit dem für ihn so wohl klingenden Namen Konrad Wolf. Hier habe er gelernt, gemeinsam mit Freunden und Weggefährten Geschichten über die raue Realität zu erzählen.

Natürlich vergaß Andreas Dresen nicht, sich bei seiner Mutter Barbara zu bedanken. „Ihr Leben als Frau und Schauspielerin hätte eine ganze Truhe dieser Auszeichnungen verdient.“ Und Barbara Bachmann sagte scherzhaft am Rande, dass ihr Sohn mit dem „Lametta“ jetzt aussehe wie ein russischer Offizier. „Ich werde den Orden immer im Schneideraum tragen“, witzelte auch Dresen. Dort im Dunkeln sitzt er derzeit über „Wolke Neun“, einem Film zum Thema Liebe und Sexualität im Alter. Also ist er doch altersweiser, als man es mit Mitte 40 gemeinhin denkt? Was inspirierte ihn gerade zu diesem „reifen“ Thema? „Ich hatte den kurzen Dokfilm ,Die Männer meiner Oma“ eines belgischen Freundes gesehen. Und der hat mich nicht mehr losgelassen. Ich wollte mit ebenso großer Offenheit einen Spielfilm darüber drehen. Mir ist kein einziger Film bekannt, der älteren Menschen wirkliche Leidenschaft zugesteht. Wenn das Thema zu sehen ist, dann mit netter Klaviermusik und wohliger Sepiafärbung. Wir gehen das Thema hingegen relativ drastisch an: ohne Schmus und Schönfärberei.“ Mit Horst Westphal, Horst Rehberg und Ursula Werner stehen ihm dabei drei Schauspieler vom Theater zur Seite, die er alle vorher privat kannte. Wohl auch über seine Mutter, seinen Vater Adolf Dresen und Ziehvater Christoph Schroth. „Es war ein großes Vertrauensprojekt. Alle mussten den Mut haben, sich darauf einzulassen.“

Und Mut bescheinigt Barbara Bachmann auch ihrem Sohn. Den bewies er bei einem ihrer Lieblingsfilme „Halbe Treppe“, den er ganz ohne Drehbuch anging. Oder als er mit „Don Giovanni“ erstmals eine Oper inszenierte, die in Basel ein Riesenerfolg wurde.Und das, obwohl Andreas Dresen keine Noten kennt und sich nur als Lagerfeuergitarrist bezeichnet. Aber er versteht die Musik mit dem Herzen und so wurde auch diese Arbeit eine „schöne Entdeckungsreise“, auf die er sich gern wieder begeben würde.

Schon als Kind kristallisierte sich sein Multitalent heraus. „Er war vielleicht acht Jahre, als er sein eigenes Kaspertheater baute, dafür Geschichten schrieb, das Bühnenbild zurecht zimmerte, Puppen aus Papier bastelte und für Musik sorgte.“ Ja, selbst Faust und Hamlet kamen in seinem Wohnzimmertheater zum Zuge. „Er musste auch harsche Kritik einstecken. Aber er hat sich immer wieder aufgerappelt“, erzählt die Mutter, die dabei natürlich die Sanfteste war.

Und an was für Themen reibt sich der Regisseur, wenn er auch seinen anderen neuen Film „Whisky mit Wodka“ ad acta gelegt ist? „Zwei Jahre habe ich bereits zum Thema Terrorismus recherchiert, aber ich konnte es dramaturgisch noch nicht bezwingen.“ Auch über die DDR würde er gern etwas im Kino erzählen: über ein Land, in dem er keine Orden bekam, nur das Abzeichen für gutes Wissen. Aber damals war er auch wirklich noch zu jung für große Ehren.

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