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Kultur: Melancholie zur WM

Wie New Rain bei ihrem Auftritt im Waldschloss gegen den Fußball verlieren – und dennoch gewinnen

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Was tun, wenn man Opfer der Fußballweltmeisterschaft wird? Wenn die wenigen Fans, statt vor der Bühne zu feiern, lieber auf dem Fußboden sitzen? Eine Antwort auf solche Fragen muss die Band New Rain am Samstagabend suchen. Denn vor dem kleinen Konzertsaal im Babelsberger Waldschloss lockt eine Großbildleinwand mit dem WM-Achtelfinale von Mexico gegen Argentinien. Drinnen dagegen: Keine frische Luft, fast kein Publikum – und Lebensfreude nur in Ansätzen. New Rain machen eben keine Sommermusik – und dieses Selbstverständnis halten die fünf Potsdamer während ihrer ersten Show in der Heimat seit fast zwei Jahren konsequent durch.

Songs wie „Blood & Chocolate“ oder „Our little Tragedy“ sind dabei Anrufungen an die Schönheit der Melancholie – mit traurigen Gitarrenriffs und lautem Schlagzeug sowie der klagenden Stimme von Sänger Maurice Meier. Der junge Mann am Mikro nimmt die Abwesenheit jeglicher Fanstimmung auf die einzige funktionierende Weise: mit Ignoranz. Und dem konsequenten Griff zum Rotweinglas. „Draußen gibt“s T-Shirts von uns zu kaufen“, scherzt er mitten im Gig vor den rund 20 Besuchern, die mehr oder weniger interessiert lauschen – und meist schon ein Shirt der Band am Leib tragen.

Doch zumindest dieser harte Kern der New Rain-Fans kann erleben, dass sich diese Band live enorm verbessert hat: So verleiht der neue zusätzliche Gitarrist dem Bühnenklang mehr Kraft und Gewicht. Auch der neue Keyboarder passt sich gut ein. Und so jammen sie entspannt Stücke wie „Sunless Thief“. Und doch: Die Szenerie gleicht eher einer öffentlichen Probe als einem Konzert.

Erst als sie die knapp einstündige Darbietung beenden, ist auch Argentinien gegen Mexiko weitergekommen, langsam tröpfeln Gäste in den Raum und rocken mit den Cover-Komikern von Jesus Porno & The Hot Legs zu alten Klassikern von Europe bis Billy Idol. Da stehen New Rain schon am Tresen und haben Spaß mit ihrem Bier: Auch melancholische WM-Opfer können lachen. Henri Kramer

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