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Kultur: Milch für Berlin: Bimmel-Bolle

Ausgewählte Exponate der Ausstellung „Mark und Metropole“ im Kutschstall (2) / Von Andreas Bernhardt

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Von je her standen Berlin und Brandenburg durch die Milchversorgung miteinander in Beziehung. Traditionell brachten die Bauern der Umgebung die Milch als Einzelhändler in Kannen in die Stadt. Die Milchpanscherei war ein ständiges Problem, dem auch in populären Karikaturen Ausdruck verliehen wurde. So etwa das „Sahne, Sahne“ rufende Mädchen, das gerade seine Kanne unter einer Wasserpumpe „nachfüllt“. Ab 1871 konnte der steigende Bedarf an Milchmengen durch die traditionelle Versorgungsweise nicht mehr befriedigend gelöst werden. Außerdem verlangte die neue Lebensmittelgesetzgebung einwandfreie Qualität.

Carl Bolle, der zunächst mit Milch nichts zu tun hatte, sollte zum bedeutendsten Milchwirtschafter für Berlin werden. Aus dem Havelländischen Milow stammend, ging Bolle als Jugendlicher nach Berlin, wo er Baumeister und –unternehmer wurde. Er entwickelte sich zu einem Prototyp des vielfältig agierenden Unternehmers in der Zeit des Wirtschaftsbooms nach 1871.

So gründete er ein Baugeschäft, legte eine Baumschule und Obstplantagen an. Aus seinem Natureishandel schuf er 1872 die Norddeutsche Eiswerke AG, gründete eine Konservenfabrik und eine Seefisch-Handelsgesellschaft. Von diesen vielfältigen Unternehmungen und Aktivitäten Bolles gerieten die meisten nach seinem Tod in Vergessenheit, aber seine Meierei wurde zu einem Berliner Markenzeichen.

1879 eröffnete Bolle zunächst einen Milchladen mit Ausschank. Schon ab 1881 wurden Pferdefuhrwagen zum großflächigen Vertrieb in der Stadt eingesetzt. 1910 fuhren bereits 250 Wagen der „Provincial-Meierei C. Bolle“ durch die Stadt. Gekühlt wurden sie mit Eis aus Bolles Berliner Eisfabrik, die ab 1914 auch Stangeneis produzieren konnte. Diese Milchwagen mit den Bolle-Mädchen und Bollen-Jungen waren einer Art Wahrzeichen der Stadt. Die Kinder gingen mit Kanne und Glocke von den Wagen auf die Hinterhöfe, wo sie mit dem Glockensignal den Begriff „Bimmel-Bolle“ prägten.

1897 wurde das riesige neue Meiereigelände im Moabit in Betrieb genommen. Hier wurde die aus Brandenburg bezogene Milch zentral verarbeitet. Die damit geschaffene Milchindustrie war vor allem logistisch eine Leistung, da die verderbliche Ware von den zahlreichen Produzenten in einem ungefähren Umkreis von bis zu 200 km ohne Verzögerung zur Meierei transportiert werden musste.

Das umfangreiche Familienunternehmen, das im Milchgeschäft auch in Potsdam tätig war, wurde nach Bolles Tod im Jahre 1910 von seinen Söhnen erfolgreich fortgeführt. Diese hatten es bereits 1902 um das Bestattungsunternehmen Grieneisen erweitert, das aber bewusst unter dem alten Namen zu neuer Größe geführt wurde.

Der Hamburger Grafiker Christian Wilhelm Allers war 1888 schlagartig berühmt geworden mit seinem Bildzyklus „Klub Eintracht“, in dem er das Hamburger Bürgertum thematisierte. Folgend schuf Allers viele Bildzyklen, vom idyllischen „Eine Hochzeitsreise in die Schweiz“ bis zum patriotischen „Unter deutscher Flagge“. Auch mit dem 30 Blatt umfassenden Zyklus „Spreeathener“ erzielte Allers großen Erfolg. Die für Berliner Ohren fremd klingende Bezeichnung „Klingelbolle“ für das abgebildete Blatt, weist auf den in der Thematik nicht heimischen Künstler hin.

Andreas Bernhardt ist Kurator der Ausstellung „Mark und Metropole“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte

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