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Kultur: Millionäre im Grünen

Exponate der Schau „Mark und Metropole“ im Kutschstall (8 und Schluss) / Von Andreas Bernhard

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Eine wichtige Verbindung zwischen Berlin und Brandenburg waren die Berliner, die es sich leisten konnten, nach Brandenburg auszusiedeln. Das waren Millionäre, wie Albert Borsig oder Walther Rathenau, die sich historische Güter oder Schlösschen weitab der Metropole zu Sommersitzen ausbauen ließen. Das waren Fabrikanten, die exklusiv in Villenkolonien auf riesigen neuen Anwesen siedelten, aber auch Professoren, Kaufleute, Beamte und leitende Angestellte, die in Landhausviertel zogen. Schließlich verliehen Künstler und die Stars von den Bühnen den bürgerlichen Wohngebieten im Grünen einen kulturellen Touch. Die Metropole glitt so zungenförmig in das um 1900 noch sehr ländlich strukturierte Brandenburg. Dieses schließlich riesige Gebiet von Landhausvierteln um den Kern der Metropole wurde einzigartig in Europa.

Bei der Vielzahl der „Kolonien“ mussten sich die Unternehmer moderner Werbung bedienen, um die Siedler zu locken. Oberschöneweide warb mit der fast städtischen Infrastruktur, Frohnau mit der „Freiluft“ in der Bieselheide und westlich von Staaken wurde „Ein warmes Nest in Falkenhagen-West“ angepriesen. Das Werbeplakat dieses Landhausviertels zeigte die stilisierte Mustervilla, die sich auch auf dem abgebildeten Notenblatt wiederfindet. Es enthält einen Walzer, der offenbar Ortsidentität stiften sollte.

Die in den Landhausvierteln wohnenden Menschen hatten eine etwas janusköpfige Identität. Kulturell fühlten sie sich als Metropolenkinder, die über die ausgebauten Nahverkehrsmittel das künstlerische und ökonomische Leben Berlins nutzten, meist auch dort arbeiteten. Verwaltungstechnisch fühlten sie sich aber als Brandenburger, die ihre Steuergelder nicht mit Berliner Proletariern teilen wollten. Der Kreis Teltow, in dem besonders viele Landhausviertel lagen, war nach dem Steueraufkommen der reichste Kreis Preußens und hatte es geschafft, auf eigene Kosten einen Kanal südlich an Berlin vorbei zu bauen. Nichts wollte man weniger, als irgendwann einmal in die Großstadt eingemeindet zu werden. Nach dem Ersten Weltkrieg war es aber soweit, mit den Stimmen der links gerichteten Parteien wurde das Gesetz zur Bildung von Groß-Berlin 1920 verabschiedet. Und kaum existierte eine neue Stadtgrenze, schon wuchs an ihr ein neuer „Speckgürtel“, jener, der seit 1990 reaktiviert worden ist.

Das Wachsen der Metropole veränderte die Sprache des Landes. Brandenburg war seit dem Mittelalter niederdeutsches Sprachgebiet. In der Ausstellung kann man sich an einer Hörstation davon überzeugen, dass noch in den 1930er-Jahren beispielsweise im Kreis Teltow richtiges „Platt“ gesprochen wurde. Traditionell existierte ein Gegensatz zwischen dem „Platt“ des Landes und dem mitteldeutsch geprägten Jargon der Stadt, dem „Berlinischen“. Die meisten der Metropolen-Aussiedler zwischen 1870 und 1920 waren in mindestens zweiter Generation Berliner und sprachen entsprechend „Berlinisch“. Da sie nun „Herrschaften“ darstellten, hielten die Bauern der Nachbarschaft, ihre Kinder an, statt Platt Hochdeutsch zu sprechen. Die Kinder aber konnten sich dabei nur an der Sprache der Berliner orientieren, die sie für Hochdeutsch hielten. Das Brandenburger Platt verschwand zugunsten des Berlinischen.

Andreas Bernhard ist Kurator der Ausstellung „Mark und Metropole“.

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