Kultur: Mit 18 Schauspielern die ganze Welt erzählen
Potsdams künftiger Intendant, Uwe Eric Laufenberg, war Gast der Friedrich-Naumann-Stiftung im Nikolaisaal
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Potsdams künftiger Intendant, Uwe Eric Laufenberg, war Gast der Friedrich-Naumann-Stiftung im Nikolaisaal Was treibt einen erfolgreichen Schauspieler und gefragten Regisseur dazu, sich dem Knochenjob eines Intendanten auszusetzen – und das in der Zeit zunehmenden Kulturabbaus, kampfgestärkter Gewerkschaften und noch dazu in der „Provinz“? Fünf Monate nach der Ernennung hielt es die Friedrich-Naumann-Stiftung für höchst angebracht, Potsdams Theaterleiter in spe, Uwe Eric Laufenberg, seinem künftigen Publikum vorzustellen. Das erstürmte zwar nicht gerade in Scharen die Foyerrunde des Nikolaisaals, zeigte aber durchaus Interesse. Um ein munteres Gespräch anzuzetteln, vertraute die in der Babelsberger Truman-Villa ansässige Naumann-Stiftung einer „alten Gorki-Connection“. Die Moderatorin des Abends, Dr. Carola Cohen-Friedlaender, kannte Laufenberg bereits aus seiner dreijährigen Tätigkeit als Oberspielleiter am Maxim-Gorki-Theater Berlin, wo sie damals selbst als Dramaturgin arbeitete, und viel gemeinsam mit ihm durchlitten habe. Trotz vertrautem Duzen entspann sich eine unterhaltsame und durchaus auch kritische Fragestunde. Dr. Cohen-Friedlaender begegnete ihrem Gesprächspartner kenntnisreich und in erfrischendem Ton. Bevor sie jedoch in die Sphären des Theaters vordrangen, gab es erst einmal ein paar persönliche Eckdaten über den „Kölschen Jungen“, der in diesem Jahr den Karneval in Hamburg nachholen musste. Zu Laufenbergs Familien-Quartett gehört neben der Ehefrau aus schreibender Zunft, eine achtjährige Tochter und Vierbeiner Franz. Obwohl auch Laufenbergs Schwester beim Theater landete, seien keinerlei genetische Vorbelastungen auszumachen. Vielmehr war es Uwe Eric Laufenberg selbst, der als Jugendlicher seine Eltern das erste Mal mit ins Theater nahm. „Ich wusste immer, was ich werden wollte, vielleicht inspirierte mich ja das Kasperle-Spiel meines Vaters.“ Übers Volkstheater à la Millowitsch arbeitete er sich schließlich zum „richtigen“ Theater vor, was ihn wie eine Sucht befiel. Für ihn sei das Inszenieren ebenso wichtig wie das Spielen, „aber der Mittelpunkt des Theaters ist immer der Schauspieler. Diesem Mittelpunkt muss man als Regisseur Leben geben.“ Den Einwurf, dass er als Regisseur mitunter auch etwas diktatorisch auftrete, wies Laufenberg von sich. „Ich finde aber, dass es ein Glück ist, von Beruf Schauspieler zu sein, und dass man ihn mit seinem ganzen Leben, seinem ganzen Einsatz ausfüllen muss. Ist das nicht so, bin ich verzweifelt.“ Dass er sich nun an den Job eines Intendanten heranwage, habe viel mit seinen vergangenen vier Jahren zu tun, wo er an immer anderen Bühnen vor allem Opern inszenierte. „Für mich gehört zu einem guten Theater ein fester Schauspielerverbund. Als Gast großer Häuser ist die Premiere indes vorbei, ehe man sich überhaupt richtig kennen gelernt hat. Ich brauche eine Truppe, mit der man sich zusammenbeißt.“ In Potsdam werde er mit 18 Leuten, der Größe einer Shakespeare-Gruppe, zusammenarbeiten. „Diese Schauspieler müssen so typenunterschiedlich sein, dass sie die ganze Menschheit erzählen. Dazu muss man die richtigen Leute, an die man glaubt, zusammenbringen.“ Mit diesem Argument reagierte er auch auf die von ihm ausgelösten Kündigungen, die er als künstlerisch notwendig erachte. „Andere Kollegen sind da viel rigider.“ Den Hinweis der Moderatorin, dass Intendantsein auch viel mit Verwaltung und Politikerstreit zu tun habe, fegte Laufenberg mit der Bemerkung: „Die Verwaltung macht Herr Raback“ – sein Geschäftsführer – vom Tisch. „Sicher muss ich ein paar Papiere lesen. Ja, und die Treffen mit Politikern können auch durchaus lehrreiche Menschenerfahrungen sein, die man auf der Probebühne so nicht bekommt. Ich habe durchaus Lust, Leuten zu begegnen, im Moment belastet mich das noch nicht.“ Zwei Mal im Jahr werde er selbst in Potsdam inszenieren, wobei er nur eine Arbeit davon bezahlt bekomme. „Ich bin also mein billigster Regisseur.“ Die Schauspielerei stelle er vorerst zurück. Dass Potsdam für ihn nur ein Sprungbrett sei, wies er ebenfalls von sich. „Ich habe einen Fünf-Jahres-Vertrag, und den fülle ich aus. Ich will auch nicht prinzipiell sagen, danach ist es vorbei. Mal sehen, wie es läuft. Ich glaube, dass ich es gerne machen werde.“ Sollte es nicht so sein, sei er ja immer noch Schauspieler, „und ein Schauspieler wird im Alter immer besser, weil ihm Leben zuwächst. Das macht mich in gewisser Weise frei.“ Das Besondere an Potsdam sei für ihn die Überschaubarkeit, die ihn an das Maxim-Gorki-Theater erinnere. „Man kann in einer Nische Theater machen und muss nicht ständig im Mittelpunkt stehen. Es wird von Potsdam nicht erwartet, dass es das beste Theater der Bundesrepublik sei. Aber es darf es werden. Das ist der Reiz“, trumpft Laufenberg selbstbewusst auf. Er wolle etwas Originäres schaffen, das man nur in Potsdam zu sehen bekomme, und in beredter Art geht er zu seinen Plänen über, die zeigen, dass er durchaus schon an seiner neuen Wirkungsstätte Fuß gefasst hat. Mit zehn Premieren im Schauspiel und fünf im Kinder- und Jugendtheater will er sein Spielzeit-Debüt geben. Angedacht seien aber auch gemeinsam mit dem Brandenburger Theater vier Premieren im Musiktheater, darunter „Orpheus in der Unterwelt“ in der Bearbeitung von Peter Hacks. Doch das sei angesichts der derzeitigen Einsparwünsche Potsdams alles in der Schwebe. „Es wäre sehr schade, wenn sie wegfallen müssten. Allein wird Brandenburg diese Vorhaben nicht stemmen können.“ Laufenberg sieht die Zusammenarbeit im Verbund derzeit noch nicht ausgeglichen. „Wir sind neben Cottbus das einzige funktionierende Theater im Land Brandenburg. Wenn wir Brandenburg nicht helfen, ist dort, glaube ich, keine Musiktheaterproduktion möglich.“ Er müsse aber die Szene noch besser kennenlernen, um zu sehen, ob es vielleicht eine günstigere Konstellation gäbe als Frankfurt-Potsdam-Brandenburg – mit den recht weiten Wegen. Alles Rumjammern fände er für ein Theater furchtbar. „Wir müssen die Türen öffnen und sagen: Kommt!“ Man könne natürlich besser argumentieren, wenn man etwas vorweisen kann. Dazu sei aber erst mal ein richtiger Start notwendig. „Erstmalig will uns die Stadt langfristig verbindliche Subventionen zugestehen. Man ist also bemüht, uns abzusichern. Jetzt ist es Verhandlungssache, dass die beabsichtigten Einschnitte uns nicht zu weit nach unten ziehen. Ich will aber optimistisch in die Zukunft sehen und nicht verkünden: ,Das Theater wird abgebrannt’“, zeigt sich Laufenberg ganz als Diplomat. Noch hielt er sich mit dem Verkünden seines Spielplans zurück, da im eigenen Hause noch nicht alles besprochen sei. Auf jeden Fall wolle er Themen aufgreifen, die vor der Haustür liegen, und damit werde er zwangsläufig über Fontane und Kleist stolpern. Neben Fontanes „Jenny Treibel“ kündigte er Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ und ein Ayckbourn-Stück an. Auch zwei Uraufführungen und eine deutsche Erstaufführung sind geplant. Bis sich 2006 der Vorhang zum neuen Theater hebt, will Laufenberg die ganze Stadt bespielen: die Erlöserkirche und Französische Kirche ebenso wie das Logenhaus. Das „Blechding“ auf dem Alten Markt sei als Repertoire-Theater ungeeignet und nur für besondere Lösungen nutzbar. Schließlich konfrontierte Carola Cohen-Friedlaender den designierten Intendanten mit dem Namensgeber seiner künftigen Wirkungsstätte. Auf die Frage, inwieweit der zu Tode gefolterte Kommunist Hans Otto, der sich für die Schauspielergewerkschaft und seine Kollegen stark gemacht hat und ein sehr guter Zuhörer war, für ihn Vorbild sei, antwortete Laufenberg: „Da kann man doch nur Ja sagen.“ Heidi Jäger
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