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Kultur: Mit Ernst zur Sache

„Filmernst“ bringt anspruchsvolle Kinder- und Jugendfilme an ihr Publikum

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„Filmernst“ bringt anspruchsvolle Kinder- und Jugendfilme an ihr Publikum „Und wann kommt der Film nun in die Kinos?“ Ganz am Ende des gestrigen Gesprächs über den Jugendfilm „Kroko“ im Kino des Filmmuseums stellte eine Lehrerin die entscheidende Frage. „Überhaupt nicht“, lautete die Antwort. Der Film ist schon durch, und kaum jemand hat es bemerkt. Offiziell war das von der Kritik gepriesene und auf Festivals gefeierte Erstlingswerk der HFF-Absolventin Sylke Enders bereits im März angelaufen. Bis April hatten es bundesweit gerade 7000 Zuschauer gesehen. Kein Brandenburger dürfte darunter gewesen sein. Hier zu Lande wurde die authentisch und sensibel erzählte Geschichte der widerborstigen, oft rabiaten, aber lebenshungrigen Kroko völlig ausgeblendet. Warum? Weil niemand isst, was er nicht kennt? Die Kinosäle leer bleiben könnten? Der Film sich nicht rechnet? Zu viele mit künstlerischem Anspruch produzierte Kinder- und Jugendfilme blieben so schon auf der Strecke. „Filmernst“ – eine Gemeinschaftsaktion des Landesinstituts für Schule und Medien (LISUM) und des Filmverbandes Brandenburg – setzt dem unbefriedigenden Zustand jetzt ein Ende und organisiert mit medienpädagogischen Ambitionen gezielte Treffen zwischen Filmkunstwerken und ihrem jugendlichen Publikum. Mit „Wer küsst schon einen Leguan?“ von Karola Hattop ist das bei Grundschülern bereits gelungen. „Kroko“ ist nun der Versuch, auch Schüler der Sekundarstufe mit solchen eigens für sie geschaffenen Filmen zu konfrontieren. Die gestrige Begegnung im Filmmuseum versetzte in Erstaunen. Nach dem obligatorischen Genöle, den großmäuligen Lachern zog schnell Ruhe ein: Von der Leinwand nölte jemand zurück. Härter noch, grober und schlagkräftig behauptet die 17-jährige Kroko den Führungsanspruch in ihrer Clique irgendwo im Berliner Wedding. Sie nimmt und tut, was sie will, lügt, demütigt, verletzt, wie auch sie belogen, gedemütigt und verletzt wird. Ihr hinter rotziger Coolness verborgenes Wesen kommt erst zum Vorschein, als sie nach einer Straftat gemeinnützige Arbeit in einer Behinderten-WG leisten muss. Hier funktionieren die gelernten Kommunikationsmuster nicht, laufen ihre Beleidigungen ins Leere. Kroko wird dadurch nicht geläutert, kein besserer Mensch, aber sie ahnt etwas von Verantwortung und von dem, was in ihr steckt. Darstellerin Franziska Jünger erzählte im anschließendem Gespräch, wie sie während des Spielens immerfort eigene ähnliche Erfahrungen erinnern konnte und ihr die Zerrissenheit zwischen Aggression und Verletzlichkeit in der Zeit des Erwachsenwerdens allzu vertraut war. Die Arbeit mit Laien in ihrem eigenen sozialen Umfeld macht diesen Film für die gleichaltrigen Zuschauer so zugänglich und nachvollziehbar. Dank „Filmernst“ erhält „Kroko“ nun ein zweite, dritte, vierte Chance. Und sollte der zweifach für den Deutschen Filmpreis nominierte Streifen bei der Verleihung am Freitag zu den Gewinnern gehören, dann bekommt er vielleicht endlich jenen Platz, der ihm in den Kinos des Landes – auch ohne Preis – von Anfang an hätte zustehen müssen. Antje Horn-Conrad Informationen unter www.filmernst.de

Antje Horn-Conrad

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