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Ulrike Fabienke serviert heute gemeinsam mit Helgrid Pippig in der Urania Eugen Rothsche Leckerbissen auf einem musikalischen Tablett.

© Andreas Klaer

Von Heidi Jäger: Mit heiterer Skepsis

Ulrike Fabienke zeigt mit Helgrid Pippig ein Eugen-Roth-Programm. Sie brennt für die Salonkunst

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Als kleines Kind sang sie Opernarien mit einem Vibrato, das Eltern und Kindergärtnerinnen gleichermaßen verzückte. Doch bis sie es mit ihrem Gesang auf die Bühne schaffte, sollten noch über dreißig Jahre vergehen. Ulrike Fabienke ging erst einmal den steinigen Weg als Orchestermusikerin, der sie mitunter in die Verzweiflung trieb. Denn als Frau wurde sie in der konzertierenden Männerdomäne anfangs mehr gelitten als geschätzt.

Inzwischen hat sie sich freiberuflich in der Kleinkunst Großes vorgenommen und stellt sich heute an der Seite von Helgrid Pippig als Duo LaFabella mit einem der meistzitierten deutschen Schriftsteller, Eugen Roth, in der Potsdamer Urania vor. Aus dem Stegreif trägt sie augenzwinkernd bei einem Cappuccino im „Alex“ schon mal einige der leicht verständlichen Verse über menschliche Unzulänglichkeiten vor. „Roths Texte sind einfach zeitlos, sie hätten auch heute geschrieben sein können“, schwärmt sie im Gespräch für den heiteren Skeptiker, der oft in einem Atemzug mit Christian Morgenstern und Wilhelm Busch genannt wird und doch heute weit weniger bekannt ist. In diesem Programm parliert die gebürtige Stahnsdorferin allerdings nicht wie in anderen musikalisch-literarischen Angeboten mit Gesang, sondern zuvorderst mit ihrer Oboe und als Rezitatorin.

Die Oboe war das Instrument, zu dem sie mehr auf Anraten denn aus Begeisterung griff. Viel lieber hätte sie Querflöte oder Klarinette gespielt und wäre gern fröhlich musizierend mit einem Zirkus herumgezogen, so wie sie es als Kind erträumte. „Doch diese Instrumente waren in der DDR nicht zu haben.“ Stattdessen kaufte die Musikschule Kleinmachnow eine Oboe und mit Karl Butthof, dem Solo-Oboisten des DEFA-Sinfonieorchesters, stand dem aufgeweckten Mädchen ein ausgezeichneter Lehrer zur Seite. Also begann sich Ulrike Fabienke nach ihrer Blockflöten-Karriere, die sie vierjährig „als besonders begabtes Kind“ startete, nun elfjährig mit der Oboe zu arrangieren. Obwohl der Gesang nach wie vor ihren Hinterkopf besetzte.

Bald spielte sie im Jugendsinfonieorchester der Städtischen Musikschule Potsdam die 1. Oboe und gewann dort später beim Landesjugendwettbewerb den 4. Preis. Fast parallel bestand sie die Eignungsprüfung zum Studium in Weimar. „Ich war damals in der Klasse von Professor Axel Schmidt die einzige Oboistin.“ Sie musste als Vorkämpferin für eine heute halbwegs paritätische Orchesterbesetzung viele Federn lassen. Dennoch ging sie während des Studiums auch auf die Barrikaden, wenn sie spürte, die Herren werden vorgezogen. „Meine Kommilitonen waren der Meinung, Frauen gehören an den Herd oder ins Bett, aber nicht ins Orchester.“ Und bis es zu Gesprächen mit ihren „Hauptfachbrüdern“ auf gleichberechtigter musikalischer Ebene kam, sollten vier Jahre vergehen. „Oft übte ich sechs Stunden am Tag, was für Blasinstrumente ungewöhnlich ist, um anerkannt zu werden. Ich hatte zwar dadurch die schnellsten Finger, aber der ständige Leistungsdruck ließ mich verkrampfen.“ Die junge Frau suchte in der Kirche nach Beistand. „Ich bin in dieser Zeit streng religiös geworden, weil ich es sonst nicht geschafft hätte. Viele Kommilitonen brachen nervlich zusammen, Frauen wie Männer, weil sie dem Druck nicht standhielten.“

Ulrike Fabienke biss sich durch und schaffte es nach dem erfolgreichen Studienabschluss auch ins Orchester. Zwei Jahre spielte sie in der inzwischen abgewickelten Brandenburgischen Philharmonie Potsdam und fühlte sich auch dort mitunter von der 1. Oboe geschnitten. Nicht so von dem Gastdirigenten aus den USA, der eines Tages den Potsdamer Klangkörper leitete und sich in die attraktive Oboistin verliebte. Ulrike Fabienke folgte ihm, als er in Stralsund engagiert wurde, stellte die Oboe in die Ecke und erfüllte sich ihren Kinderwunsch. Zwischen dem Mutterglück unterrichtete sie Ballett, hielt Vorträge in Kunstgeschichte und las immer wieder Literatur über das 18. und 19. Jahrhundert, vor allem Biografien über das anregende gesellschaftliche Leben in den damaligen Salons.

2001 kamen sie gemeinsam mit Tochter Olivia nach Potsdam zurück, bald folgte Sohn Antony. Erst vor drei Jahren begann Ulrike Fabienke wieder zu musizieren. „Die Zeit für ein Orchester war indes abgelaufen. Es gab inzwischen zu viele Nachwuchsmusiker und ich war schon Mitte 30.“ Also setzte sie auf die kammermusikalische Schiene, bis sie die Idee hatte, Literatur dazu zu nehmen. Sie stand gemeinsam mit Corinna Harfouch und Hans-Jochen Röhrig auf der Bühne und eben auch mit Helgrid Pippig, der Potsdamer Musikschullehrerin. Mit ihr führte sie 2007 das erste Mal das Eugen-Roth-Programm auf, auch mit Wilhelm Busch und Christian Morgenstern grasten sie wohlig in heiter-ironischen Gefilden. Für ihre „Preußischen Prinzessinnen“ hüllten sie sich in selbst geschneiderte Rokokokostüme und kreierten fast ein kleines Theaterstück – Ulrike Fabienke mit Schauspiel- und Sprechunterricht sowie Gesangsstunden als künstlerisches Unterpfand. Derzeit bereitet sie mit der Potsdamer Schauspielerin Simone Kabst das Programm „Der Name der Rose“ vor, in dem sie Oboe und Englisch Horn spielt und zudem Gregorianische Gesänge vorträgt.

Nur allzu gern möchte die Musikerin die Salonkunst wieder aufleben lassen. „Villen und reiche Leute gibt es in Potsdam ja viele, warum sollte es also nicht gelingen?“ Schon jetzt gastiert sie mit dem Fontane Ensemble Berlin immer mal wieder im Salon Philippsthal. „Ich selbst kann keinen Salon finanzieren, aber vielleicht kann man sich ja auch mit Gleichgesinnten zusammenschließen. Nächstes Jahr kommt mein Sohn in die Schule, dann kann es richtig losgehen.“ Zumal der Vater, von dem sie sich inzwischen trennte, die Kinder mit betreut.

Und vielleicht öffnet sich ja eines Tages die Tür zum eigenen Salon, so wie einst bei Coco Chanel oder Claire Goll. „Salonkunst ist jedenfalls genau meine Wellenlänge.“ Und zu kämpfen hat sie ja gelernt.

Heute 19 Uhr in der Urania, Gutenbergstraße 71/72: Eugen-Roth-Programm, aufgeführt von LaFabella mit Ulrike Fabienke, Oboe, Gedichte; Helgrid Pippig, Klavier, Texte. Eintritt 12/erm. 10 €.

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