Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2016: Mit Liebe und leiser Erotik
Bonjour! Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci blicken in diesem Juni nach Frankreich. Was die Besucher in diesem Jahr erwartet.
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Potsdam - Ohne Franzosen geht es in Potsdam nicht – sagt Andrea Palent, als sie das Programm der diesjährigen Musikfestspiele vorstellt. In der Tat sind Zeichen der Grande Nation gerade in Potsdam an allen Ecken zu sehen, vom Schloss Sanssouci über die Französische Kirche bis zur Voltaire-Schule, deren Name noch heute an den berühmten Philosophen, Brieffreund und zeitweiligen Kammerherrn von Friedrich II. von Preußen erinnert. Es war an der Zeit, einmal „La douce France“ ins Zentrum der Musikfestspiele zu stellen.
Friedrich II. und Voltaire streiten lauthals
Leider blieben die Planungen nicht unbeeinflusst von den politischen Ereignissen. Ausgerechnet die satirische Operette „Ba-ta-clan“ von Jacques Offenbach sollte ein Höhepunkt des Festivals werden. Doch nach den schrecklichen Massakern in der gleichnamigen Pariser Konzerthalle wurde auf die schon ziemlich weit gediehene Neuinszenierung verzichtet. Stattdessen wird nun der Theaterkarren durch Potsdams Straßen ziehen und Friedrich II. und Voltaire lauthals über Gott und die Welt streiten lassen. Wer gerade vorbeikommt, darf zuhören – Eintritt wird nicht erhoben.
Überhaupt bestimmt der Blick in die Vergangenheit einmal mehr das Programm, wenn auch einige der Veranstaltungen der musikalischen Gegenwart gewidmet sind. Für den historischen Teil gibt es diesmal außer Andrea Palent und Jelle Dierickx einen zusätzlichen Geburtshelfer in Gestalt von Benot Dratwicki, Direktor des „Centre de musique baroque de Versailles“. Der Franzose stellt sein bestens ausgestattetes Musikzentrum, das sich der Wiederentdeckung und Verbreitung der französischen Musik des 17. und 18. Jahrhundert widmet, eloquent vor. Und nicht nur die Inszenierung von Jean-Baptiste Lullys letzter und meisterhaften Oper „Armide“ profitiert von dieser Verbindung in Potsdams zukünftige Partnerstadt. Sie kommt auch der zweiten großen Premiere zugute, die sich unter dem Titel Pygmalion mit der Tanzkunst im Barock beschäftigt. Als essentieller Bestandteil des französischen Musiktheaters – sogar der Sonnenkönig Ludwig XIV. tanzte höchstpersönlich mit – begründete der Tanz letztlich die berühmte französische Balletttradition.
Ohne modische Experimente
Erfreulicherweise konzentriert sich das diesjährige Programm auf das Eigentliche, Frankreich und die Musik, und kommt anders als in den Vorjahren ohne modische Experimente aus. Dennoch dürfte in dem opulenten Programm mit insgesamt 81 Veranstaltungen für jeden Geschmack etwas dabei sein – vom Wandelkonzert in den Neuen Kammern über das Flötenkonzert im Ehrenhof von Sanssouci bis hin zum Open-Air-Spektakel mit Festmusik vom Altmeister Jordi Savall und Feuerwerk am Orangerieschloss. Natürlich fehlt auch das beliebte Fahrradkonzert nicht. Französische Weine dürfen bei intimen Salonkonzerten im Festsaal der Villa Lichtenau probiert werden. Einzelne Konzerte widmen sich genuin französischen Instrumenten wie der Harfe, die als Doppelpedalinstrument in Paris erfunden wurde – und die damals eine ungemein erotische Wirkung hatte: Die Zuhörer genossen nicht nur die Musik, sondern auch den reizvollen Anblick von Armen und Füßen der überwiegend weiblichen Spielerinnen. Allein durch ihren Klang mussten dagegen das traditionelle Cembalo und das neuartige Pianoforte bezaubern – und das werden sie sicher bei den ihnen gewidmetem Konzerten in der Friedenskirche und im Marmorpalais erneut tun.
Wie schnell sich die Mode ändert, nicht nur, aber besonders in Frankreich, zeigt sich an Gambe und Cello. Das bevorzugte Instrument des Adels wurde rasch vom Cello in der Gunst des zunehmend bürgerlichen Publikums besiegt. Doch in Frankreich, wo die Worte mindestens ebenso gewitzt sind wie die Musik, gab es natürlich gleich ein kritisches Pamphlet zur Verteidigung der Gambe. Vom französischen Esprit in Worten und den Klängen beider Streichinstrumente kann sich das Publikum einen Eindruck im Palmensaal verschaffen. Es blieb dem Potsdamer Instrumentenbauer Tilman Muthesius vorbehalten, eine ganz besondere Gambe mit acht Saiten zu bauen, die nur einmal noch im Instrumentenmuseum in Paris existiert, allerdings nicht mehr spielbar ist. Zu hören ist die Rarität bei einem Konzert im Raffaelsaal, wo eigens komponierte Werke von Jean-Philipp Rameau gespielt werden.
Finale: "Paris, mon amour"
Auch Freunde des Gesangs finden eine Fülle von Konzerten – von der mittelalterlichen Machaut-Messe über Lieder nach Texten der frühen Feministin Christine de Pizan bis hin zu höfischen Kantaten. Natürlich darf die Liebe in diesem Programm nicht fehlen, schließlich ist man in Frankreich, wo selbst im Weihnachtslied „Stille Nacht“ der „l´amour infini“, der unendlichen Liebe, gehuldigt wird. So steht das große Final-Konzert mit der Pianistin Lise de Salle – in mehrfacher Hinsicht und ganz zu Recht – unter dem emphatischen Titel „Paris, mon amour“.
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Babette Kaiserkern
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