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Kultur: Mit neuem „Treibstoff“
Wieder unterwegs: Rockhaus mit neuem Album und Konzert in Potsdam
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Zwei Millionen. Und die in die Werbung stecken, „dass dein Plakat von jeder Litfasssäule grinst, dann würde es so richtig laufen, dann kriegst du auch große Hallen voll“. Aber zwei Millionen haben sie nicht, die Jungs von Rockhaus, es wird wohl so gehen müssen. Was kein Nachteil sein muss. „Wir passen uns niemandem an, wir machen, was uns und dem Publikum Spaß macht.“
In einer Pizzeria in Berlin-Mitte sitzen Sänger und Gitarrist Mike Kilian und Schlagzeuger Michael Haberstroh, Künstlername HeinzAngel, bei Kaffee und Apfelschorle. „Ick hab grad gefrühstückt“, winkt letzterer ab, als der Kellner, immerhin längst Mittagszeit, an den Tisch kommt. Ach ja, dieses hübsche Klischee vom Musikerlotterleben. Erfüllen tut es wohl kaum jemand, auch nicht die Band, die seit ihrer Wiederbelebung 2005 im Musikgeschäft mitmischt. Bescheiden zwar, aber immerhin. Das haben nicht alle Bands von damals geschafft. Und Silly, die Vorzeige-Kollegen, „die hatten mit der Anna Loos unheimlich Glück“, finden sie.
Am Freitag beginnt mit dem Konzert im Lindenpark die Rockhaus–Live–Tour durch 17 Städte der alten Republik, der ostdeutschen. „Natürlich sind wir nervös“, sagt Mike, „man hat ja mittlerweile auch einiges vergessen von den alten Texten“. Sechs Alben, die meisten davon haben die Bezeichnung Platte tatsächlich verdient, haben sie gemacht. „Kann man unmöglich alles im Kopf haben. Etliche in unserem Alter lesen auf der Bühne vom Teleprompter ab, ich schau in so einem Fall hilfesuchend zu Heinz rüber“, outet sich der Sänger.
Ein neues Album bedeutet neue Texte, neuen Stoff. „Treibstoff“ heißt die Sammlung von 13 Songs, die es zum Tourstart geben wird. Zum ersten Mal seit 1990 arbeiteten sie wieder mit einem Produzenten zusammen, Rainer Oleak, Filmmusikkomponist und Arrangeur, ein alter Bekannter. „Es hilft ungemein, wenn jemand von außen draufblickt.“ Innerhalb einer Woche spielten sie die Titel im Studio live ein. „Ich glaube, das hört man auch, da steckt richtig Energie drin; du schaust beim Spielen die Kollegen an und denkst: Mensch, das klingt geil – das bringt unheimlich was“, sagen sie übereinstimmend.
Produziert haben sie „Treibstoff“ in der eigenen Firma, denn „an uns will sich keiner die Finger verbrennen“. Auf Plattenfirmen und das ganze Musikbusiness sind sie eher schlecht zu sprechen: „Alles eine Soße heute und vermutlich auch eine Hand, zu Mainstream, zu angepasst“.
Wo sie sich musikalisch einordnen würden? „Wir machen Rockmusik mit deutschen Texten“, sagt Mike Kilian nach kurzer Pause, und schiebt hinterher: „also Rock und Pop“. „Na ick seh det eher rockig, ich bin doch kein Pop-Schlagzeuger“, empört sich HeinzAngel, der von sich sagt, dass er nicht leise spielen kann.
Was auch immer es ist, es kam schon in den 80ern bei den Teenies in der DDR gut an, sie waren die erste Boygroup in poppig bunten Klamotten, alles eigenhändig gefärbt. Als sie 1988 im Westen gastierten, trugen sie selbstgeschneiderte Lederjacken, „richtig schick, so mit Fransen unterm Arm. Die geschockten Wessis dachten, wir kommen mit Seitenscheitel und Ost-Jeans“, das amüsiert sie immer noch.
Der Exotenstatus ist längst verschwunden, im Westen lohnen sich Konzerte nicht. Sind sie deshalb der Kategorie Ostrock zuzuordnen? Ja und nein. Natürlich sind sie aus dem Osten und gehören für viele hier zur Biografie, „weil sie sich damals bei dem einen Titel kennengelernt haben oder so“, sagt HeinzAngel. „Und weil heute keiner mehr gleichzeitig die DDR hassen muss, kann man die Musik noch mal ganz anders hören. Viele fanden uns damals zu angepasst, weil wir im Radio gespielt wurden. Aber zumindest hatten wir keinen Stasispitzel in der Band, wo doch angeblich jede einen gehabt haben soll.“ Ist eben schwierig mit dem Begriff Ostrock. Dass zum Beispiel auch Rammstein komplett aus dem Osten kommt – das wisse heute keiner mehr. Letztlich gebe es auch im Westen Bands, deren Erfolg auf eine bestimmte Region beschränkt ist. Ist aber eigentlich alles nicht so wichtig.
Ihre Fans von damals, nicht unwesentlich ergänzt aus der nachgerückten Generation, freuen sich, dass es Rockhaus noch und wieder gibt. Wer sie hören will, muss allerdings selbst auflegen oder ins Konzert gehen – von Radiosendern werden sie kaum gespielt, höchstens von lokalen Sendern beim Interview-Termin. „Da sitzen manchmal Leute, die sind echt vom Fach und wissen Bescheid, und dann gibt’s Situationen, wo der Moderator rumeiert und du merkst: Hey, der kennt nicht mal unsere Namen.“
Sie machen wieder gemeinsam Musik, obwohl jeder der fünf nebenher eigene Projekte und Ziele verfolgt. Bassist Reinhardt Repke ist seit Jahren mit dem „Club der toten Dichter“ erfolgreich unterwegs, Gitarrist Reinhard Petereit spielt auch bei Silly, Keyboarder Carsten Mohren und HeinzAngel bei den „Ossis“ und Jimi Jamison. Mike Kilian kennt man von „Starfucker“ und Soloprojekten, darunter Klassik und Musical. Das alte Rockhaus aber schweißt sie zusammen. Vielleicht bezieht es sich auch ein bisschen auf ihre musikalischen Machenschaften, wenn sie auf ihrem neuen Album singen: „Ich war nie treu, doch geliebt hab ich nur dich“.
Rockhaus spielen am Freitag, dem 3. Februar um 21 Uhr, im Lindenpark, Stahnsdorfer Straße 76-78. Der Eintritt kostet im Vorverkauf 22, an der Abendkasse 26 Euro
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