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Kultur: Mit Rock“n“Roll in die Revolution

F.U.C.K. erinnert mit Musik, Tanz und Schauspiel an die 68er / Premiere ist am 22. April im HOT

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Sie sind in die Jahre gekommen: die vier Pilzköpfe aus Liverpool. In Rollstühlen bahnen sie sich den Weg auf die Bühne, um noch einmal das Scheinwerferlicht zu spüren. Und noch immer zünden ihre Lieder, denn „All you need is love“. Heute wie gestern. Es geht heiß her auf der Bühne des Hans Otto Theaters. Schlagzeugtrommel und fette Gitarrenbeats fliegen einem um die Ohren, als wäre Woodstock in Potsdam auferstanden. Doch alles geht hier natürlich gesitteter zu – ohne Schlamm und Gras. Doch das Gefühl dieser Zeit zwischen Revolution und Flower-Power – es soll erneut heraufbeschworen werden. „F.U.C.K“ heißt es schlicht, doch programmatisch, was ab 22. April als Collage über Auf- und Umbrüche der revoltierenden 68er-Bewegung erzählt. Und mit Serge Weber hält ein Mann die Regiefäden in der Hand, der selbst vom Bazillus dieser Zeit infiziert wurde. „Ich fühle mich als 68er, aber nicht wie diejenigen, die dann in der Regierung saßen. Ich habe etwas kennengelernt, was einmalig ist, nämlich, wie man Freiheit erringen kann in einer so kurzen Zeit und dabei das politische System ins Wanken bringt.“ Der Musiker und Theatermann, der oft mit Johann Kresnik zusammen arbeitet, wohnte damals in Paris. „Ich war 15 Jahre alt und habe alles sehr bewusst erlebt. Das 68er Phänomen gab es ja europaweit, und fast wäre es in Frankreich zum Regierungssturz gekommen.“

Für ihn ist es vor allem die Leichtigkeit des Seins, die ihn an diese Zeit interessiert – und die er in seinem szenisch-musikalischen Revolutions-Mosaik widerspiegeln will. „In einem 20-minütigen Prolog ist erst einmal Showtime angesagt. Alles, was folkloristisch ist, findet hier seinen Platz: die Musik, die Kostüme, der Tanz“, kündigt Serge Weber an. Aber es kommt auch mit einem Augenzwinkern daher: Stones-Sänger Mick Jagger gibt es bei „Jumpin“ Jack Flash“ gleich in zweifacher Ausführung, die Beach Boys machen einen Strip, Heintje schnulzt tränenrührig seine „Mama“ und selbst Ulbricht rollt – sächselnd die Beatles singend – über die Bühne: bis ihn eine Kugel trifft. Ein Abend, der auch ins Absurde zielen soll.

Bei der Probe zum Prolog ließen die extra für diese Inszenierung gecasteten drei Musiker jedenfalls schon mal gewaltig aufhorchen. Und auch die Schauspieler schmissen sich lustvoll in den Gesang, ohne ein Kopie anzustreben. Was bei den Jungs aus Liverpool wohl ebenso schwierig wäre wie bei den Stones, Crosby, Stills, Nash & Young oder Steppenwolf. „Serge Weber inszeniert das Stück ganz im Geist der 68er: Er bestimmt nicht autoritär, was jeder der zwölf Mitwirkenden zu tun hat, sondern es ist ein Ensemblestück“, sagt Dramaturgin Anne-Sylvie König. So darf Rita Feldmeier auch mal ihre tänzerische Begabung zeigen oder Opernsängerin Gabriele Näther „Revolution“ von den Beatles singen. Peter Pauli bleibt bei dem vertrauten Schauspielerpart und spricht u.a. einen Text von Dali. Das passiert dann aber schon im Hauptteil des „Triptychons“ – der Zeit-Analyse: „allerdings eine mit Herz und Bauch und keine intellektuelle“, wie Serge Weber herausstreicht. Da gibt es das Abendgebet einer Familie in den 50ern, wird gezeigt, wie sich die Frauen emanzipieren und in der Erziehung alle autoritären Zügel abwerfen. Damals gern gelesene Philosophen wie Camus oder Sartre kommen zu Wort und auch Dialoge aus dem Film „Easy Rider“ sind zu hören. Es geht um den „Prager Frühling“ ebenso wie um Demonstrationen gegen den Krieg in Vietnam oder um den Kampf gegen den „Muff unter den Talaren“. Mit Love und Peace gegen Napalmgas und Todesschüsse. „Man lebte intensiv und starb oft viel zu jung. F.U.C.K. erzählt auch von Mythen und Klischees, will aber keine Verklärung“, betont die Dramaturgin. Auch die RAF spiele hinein: „Für mich das deutsche Nachspiel der 68er, das nicht mehr glücken konnte“, so Weber.

Der Epilog münde in der heutigen „bleiernen Zeit“. „Wir zeigen, wie die verschiedenen Staaten mit den 68ern abgerechnet haben und wie wenig von dem einstigen Geist übriggeblieben ist.“ Wie auch von der Wende 1989: „Für mich eine gescheiterte Revolution, weil die Utopien von den Leuten, die sie angeschoben haben, zerplatzt sind. Die Kraft hat nicht gereicht, die Leute im Westen mit zu infizieren.“ Trotz der Ernüchterung, dem Gefühl, an die Wand gedrückt zu sein, ende die Inszenierung mit einem kleinen Bild der Hoffnung. Die Leichtigkeit des Seins will wieder beschworen sein: „All you need is love“.

Premiere: 22. April, 19 Uhr, Öffentliche Voraufführungen: 20. und 21. April, 19 Uhr.

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