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Das Berlin-Potsdamer Männer-Quartett „Die Bogarts“ mit Nico Brazda, Tom Heiß, Klas Yngborn und Philipp Neumann (v.l. n.r.)

© Iko Freese/Drama

Kultur: Mit schrägem Humor

Von Elvis bis zum Schuhplattler: Das A-Capella-Quartett „Die Bogarts“ singt und schwingt morgen in der Urania

Stand:

Sie sind die vier noch unbekannten unehelichen Neffen ihres Onkels aus Amerika, keinem Geringeren als Humphrey Bogart. Daran lassen sie keinen Zweifel. Und sie leben zusammen in einer Kreuzberger WG, wo es natürlich drunter und drüber geht. So viel zum zugelegten Image der vier Berliner Jungs, die es faustdick hinter den Ohren haben und daraus ihre dramatischen Fäden spinnen.

Wenn man „Die Bogarts“ allerdings bei einer Tasse Kaffee vor sich sitzen sieht, jedenfalls mit Tom Heiß und Nico Brazda zwei der vier Sangesbrüder – sind sie doch eher die braven sympathischen Durchstarter, die konsequent an ihrer Karriere feilen. Aber der Schalk blitzt ihnen schon aus allen Augenwinkeln. Und den wollen sie auch am morgigen Donnerstag in der Urania kräftig ins Scheinwerferlicht stellen, wenn sie ihre musikalische Trumpfkarte ziehen und A-Capella Comedy vom Feinsten bieten. Da gibt es von den durchweg klassisch ausgebildeten Sängern – zwei Tenöre, ein Bass und einen Bariton – himmlische Melodien und höllischen Rock’n’Roll, eine gepflegte Scheinwelt, die immer wieder durch kräftige Tabubrüche Kratzer bekommt. Es wird gesungen und gejodelt, im Slapstick über die Bühne gestolpert und sexy mit der Hüfte geschwungen. „Das ist vor allem die Stärke von Tom“, sagte Nico Brazda und bekommt prompt ein Kompliment zurück. „Die blauen Augen von Nico sind unschlagbar.“

Sie sind sich jedenfalls für keinen Song zu schade. In ihrem „Mama-Medley“ gibt es nicht nur Anleihen aus Evita und dem Traumzauberbaum und die „Mama“ der Queens. Auch Heintjes Schnulze wird mundgerecht serviert. „Wir singen keine Lieder, die wir nicht mögen“, stellen sie sofort klar. Sie schreiben nichts Neues, sondern bedienen sich bei Volksliedern und im Pop der 50er und 60 er Jahre, den sie raffiniert arrangieren und in schwarzen Humor tauchen.

Sind Tom Heiß, Nico Brazda, Klas Yngborn und Philipp Neumann nun so etwas wie die neuen Comedian Harmonists? „Das ist nicht unbedingt unsere Musik“, sagt Tom Heiß mit seinem erotisch klingenden Bass, der jeden Radiosender veredeln würde. Aber den Kleinen Grünen Kaktus stellen sie durchaus mit auf ihren Hit-Balkon. Von den „Vier Tenören“ distanzieren sie sich ebenfalls. „Wir gönnen ihnen ja den kommerziellen Erfolg. Aber rein musikalisch ist da nichts interessant. Strahlemänner mit Fönwelle und eingeübten Posen“, so Nico Brazda, der an der Uni Potsdam Gesangspädagogik studierte.

Und wie sehen sie sich selbst? „Wir bedienen ganz verschiedene Stilistiken. Jeder hat seinen eigenen Charakter als Stimme und Sängertyp.“ Und Tom Heiß ist eben für den Rock’n’Roll zuständig und mimt den Elvis, während Bariton Nico Brazda eher der Barde ist, der die Schlager herauskramt und die schöne getragene Linie betont. „Nicos Glanzstück ist ,Ein Schiff wird kommen’. Und ich sage nur : Er ist auch ,Ein Teddybär auf Koks’.“ In ihrem Programm gibt es neben einem halbverkrachten Schuhplattler den „Frühtau zu Berge“ verrockt, und im Umwelt-Medley schwirrt Biene Maja neben Karl, dem Käfer „Wir treten nicht wie Boygroups als Superstars auf. Wir bleiben authentisch.“ Und Regisseure und Choreografen schauen am Ende, dass die Programme wirklich eine runde Sache werden. Sollte sich dennoch ein Fehler einschleichen, macht auch nichts, der lässt sich komödiantisch ausbauen. Doch sie nehmen es schon genau: die Bogarts. Alle haben einen Gesangslehrer, um ihre Stimmen weiter zu schulen. Und sie korrigieren sich bei den Proben auch gegenseitig, was eine sehr heikle Angelegenheit ist. „Schließlich sind Sänger Mimosen“, weiß Tom Heiß. „Musikalisch ist indes alles da. Wir müssen unser Licht nicht unterm Scheffel stellen“, betont er. So fahren sie Ende Oktober zum A-Capella-Festival nach Bayreuth und sind auf renommierten Theater- und Opernbühnen zu Hause. Sie sangen mit bei Händels „Alcina“ im Schlosstheater und jetzt in „My Fair Lady“ am Hans Otto Theater Potsdam. Auch Dagmar Manzel als „Großherzogin von Gerolstein“ am Deutschen Theater Berlin unterstützten sie sangeskräftig.

Sie sind Allrounder und nicht nur auf „Die Bogarts“ programmiert. Nico Brazda singt zum Beispiel im Rundfunkchor Berlin, Tom Heiß im Vocalconsort Berlin Renaissance-Motetten. Ist Pop-Singen da Entspannung? „Stimmtechnisch nicht. Es kann auch schnell schwülstig werden. Der Pop ist direkter und gerader vom Ton, die Klassik runder und braucht den ganzen Körper als Resonanzboden“, erklärt Nico Brazda, der private Gesangslehrer. So einfach lasse sich jedenfalls nicht der Schalter von der klassischen Musik auf Unterhaltung kippen. „Man muss sich immer erst durch technische Übungen und Entspannung auf die Wechsel vorbereiten“, sagt Tom Heiß. Und das kann auch beim Bergsteigen, Joggen oder Yoga sein.

Morgen bedienen sie jedenfalls in einem Nummernprogramm die heitere Muse. „Da das Urania-Publikum vermutlich etwas älter ist, gibt es unter dem Nussbaum mehr Volkslieder als Rock’n’Roll.“ Sie finden ihr Publikum zwischen 8 und 80, versichern die Bogarts und sind selbst zwischen 30 und 40. Alle haben ihre eigene Wohnung, können bislang aber nur ein Kind aufweisen, und das wurde gerade erst geboren. Dafür ist eine CD in Planung, so Tom Heiß, der bei den „Helmhöltzern“ seine ersten Gesangsschritte ging und sich jetzt als „Elvis“ nicht nur die Frauen becirct. Mit Sonnenbrille und wackelnden Herzen beschwören „Die Bogarts“ die Liebe und Natur. Wenn da die Leute nicht kommen?! Heidi Jäger

18. August, 17 Uhr, Urania, Gutenbergstr. 71/72, Eintritt 12/erm. 10 Euro

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