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Kultur: Mit Wut und Leichtigkeit

„Like An Idiot“ mit Cristina Moura in der fabrik

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Als sie vor vier Jahren ihr Tanzsolo „Like An Idiot“ erarbeitete, hatte sie viel Wut im Bauch. Es war gerade die Zeit, als der Konflikt zwischen Israel und Palästina besonders eskalierte. „Ich hatte das Gefühl, alle reden nur, aber es wird nichts dagegen getan. Mein Kind war damals gerade ein Jahr alt, und das machte mich noch wütender, weil ich mehr Verantwortung spürte.“ Die Tänzerin Cristina Moura, die heute und morgen (20.30 Uhr) in der fabrik ihr Solo zur Aufführung bringt, zeigt sich inzwischen versöhnlicher. „Ich sehe, dass auch das Miteinander-Reden wichtig ist und die Lage auf der Welt sich nur langsam zum Besseren entwickelt.“

Ihre politische Haltung werde in der Choreografie durchaus spürbar, auch ohne konkrete Geschichte. „Der Titel Idiot soll die Stimmung spiegeln, wenn das Leben an uns vorbei geht, und wir nicht begreifen, was passiert.“ Sie selbst lebte zur Entstehung des Solos im privilegierten Dänemark und fragte sich, ob es nicht sinnvoller wäre, in einem Flüchtlingslager Afrikas zu helfen. Diese Zerrissenheit machte sie in ihrem Tanz produktiv, der Sprache, mit der sie sich am besten äußern kann. 70 Mal zeigte sie das Solo bereits auf Tourneen, u.a. durch Frankreich, USA, Italien, Holland. Und noch hat sie es nicht zu Ende erzählt. Obwohl die Choreografie eine feste Struktur hat, lasse sie viel Freiraum für Veränderungen und Improvisationen. „Ich spiele im schnellen Wechsel verschiedene Charaktere, offenbare mich dabei selbst und entblöße auch andere. Viele Zuschauer sagen, es ist ein sehr politisches Stück, weil es viel mit der Gesellschaft zu tun hat.“ Aber es gibt auch ganz einfache, schöne Dinge, die sie als „Idiotin“ in dem Stück genießt, wie das Spiel mit Wasser oder die Berührung eines Tisches. Worte und Musik schüren den Stimmungswechsel: Sie tanzt zu Mozart ebenso wie zu Raggae. Ein roter Faden interessiere sie nicht: „Ich will die Freiheit zur Vielfalt haben, kein Korsett.“

Die in Rio geborene Tänzerin wird nichts spezifisch Brasilianisches zeigen, „aber man sieht im Körper natürlich meine Herkunft.“ Mit fünf Jahren ging Cristina Moura zum Ballett, mit 16 wurde sie Profitänzerin. „Ich studierte an der Universität Darstellende Kunst und reiste zugleich mit der Compagnie En Dance durchs Land. Wir unterrichteten auch selbst, arbeiteten mit Kindern, erforschten den Platz des Körpers im zeitgenössischen Tanz. Das hört sich heute normal an, war vor 20 Jahren aber absolutes Neuland.“ Mit 23 Jahren kam sie nach Europa, arbeitete mit den verschiedensten Compagnien. „Ich genieße das Tanzen, es ist prickelnd, sich zu bewegen, sich in den verschiedensten Stilrichtungen ausdrücken zu können.“ Und vielleicht damit auch eine Botschaft zu verbinden. „Nicht jeder muss politisch engagierte Kunst machen, aber noch wird der Tanz zu wenig als Medium dafür genutzt.“ Gerade auch in ihrem Land, wo die Korruption ebenso groß geschrieben wird wie die Bedienungsmentalität – als Erbe aus der Sklaverei. „Aber die Probleme sind weltweit.“Und die Wut darüber wird bleiben. Heidi Jäger

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