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Kultur: Mr. West im wilden Osten

Das Filmorchester Babelsberg spielt „Die seltsamen Abenteuer des Mr. West“ /Gespräch mit Prof. Wefelmeyer

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Das Filmorchester Babelsberg spielt „Die seltsamen Abenteuer des Mr. West“ /Gespräch mit Prof. Wefelmeyer Der Titel klingt sperrig und dürfte den wenigsten bekannt sein. Dennoch versteckt sich hinter dem russischen Stummfilm „Die seltsamen Abenteuer des Mr. West im Lande der Bolschewiki“, der beim morgigen Film-Live-Konzert im Theaterhaus zur Aufführung gelangt, eine noch immer zündende Groteske. Das jedenfalls verspricht Komponist Prof. Bernd Wefelmeyer, der den 20er-Jahre-Film in ein neues Tongewand kleidete. Auch er kannte den in Filmlexikas oft beschriebenen Klassiker nicht. „Ich bin kein Cineast, die sehr in der Vergangenheit lebt. Doch dieser Streifen vermittelt sehr gut den kulturellen Aufbruch in der Vorstalin-Ära.“ Er erzähle ganz im Stil einer amerikanischen Detektivgeschichte, wie sich der Senator West in die Sowjetunion begibt, in der Erwartung, dort fellbekleidete Wilde und Kannibalen vorzufinden. In Moskau fällt er einer Bande von Gangstern in die Hände, die dem naiven Amerikaner weismachen, sie würden ihn beschützen, doch stattdessen sein Portemonnaie plündern. Rechtzeitig erscheinen dann aber doch die wirklichen Bolschewisten und entlarven die Gangster. „An das Ende der Geschichte, die vor allem von Slapstick und rasanten Verfolgungsjagden lebt, montierte Lew Kuleschow Dokfilmmaterial, das Bolschewisten beim Marschieren über den Roten Platz zeigt, mit Trotzki in der Mitte. Das hat natürlich schon revolutionären Pathos, was damals aber sicher einem relativ echten Gefühl entsprach“, mutmaßt Wefelmeyer. Heute müsse man sich in diese Gefühlswelt aber erst einmal wieder einsehen. „So ganz ernst nehmen, kann man es nicht mehr, schließlich hat die Geschichte die einstigen revolutionären Träume ad absurdum geführt. Aber es war ein schöner Irrtum.“ Ansonsten, so Prof. Wefelmeyer, sei der Streifen aber unprätentiös und satirisch überhöht. „So ein Film wäre in der Stalin-Zeit nicht durchgegangen.“ Spannend für das Komponieren seien die verschiedenen Handlungsstränge gewesen, die Verfolgungen und Tricks seien witzig fotografiert. „Spannend ist es vor allem, wie die verschiedenen Kulturen aufeinander prallen: wie der hochzivilisierte Amerikaner auf die östliche Einfachheit und die Geradeaus-Mentalität trifft. „Sehr lustig anzusehen ist es auch, wie die Pferdeschlitten und Motorräder auf den vereisten Straßen Moskaus um die Wette ,rasen“. Wenn man sich auf die Machart einlässt, ist es jedenfalls sehr erstaunlich, was schon damals filmtechnisch möglich war.“ Prof. Bernd Wefelmeyer, Dozent an der HFF, ist in der Filmmusik durchaus kein Fremder. Auch mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg hat er bereits bei einer Fassung für „Metropolis“ zusammengearbeitet. „Die Filmmusik ist ein Teil der Musikkultur, die immer mehr Raum einnehmen wird. Während im Konzertsaal noch immer ein geringes Interesse an moderner zeitgenössischer Musik besteht, kann man sich der Filmmusik nicht so einfach entziehen. Dort etabliert sich die moderne Musik sozusagen durchs Hintertürchen. Sie ist mit Bildern belegt und damit thematisiert. Würde man diese Musik pur im Konzert hören, gäbe es sicher Befremden.“ Natürlich müsse man als Komponist auch eine Brücke zum Zuhörer schlagen, sich seinem „Hörstand“ anpassen. Für Prof. Bernd Wefelmeyer ist Hollywood führend in der Filmmusik. „Ein Streifen wie ,Matrix“ geht eben in seiner Experimentierfreude sehr weit. In Deutschland sind die musikalischen Eruptionen nicht so gewaltig, ist die Musik entsprechend der Erzählweise, des Inhalts und des filmtechnischen Aufwands zumeist ästhetisierender. „Wir können dafür aber oft diffiziler arbeiten.“ Auch bei einem Filmklassiker wie „Mr. West“ müsse natürlich die heutige Kompositionstechnik einfließen, könne nicht mit Mitteln von 1924 heran gegangen werden. „Ich hoffe, dass eine affirmative Beziehung von Bild und Musik gegeben ist. Es bestanden jedenfalls viele Möglichkeiten, musikalische Farben hineinzutupfen.“ An Prof. Wefelmeyers Seite agierte sein Komponistenkollege Karl Heinz Wahren, der auch bei „Metropolis“ schon mit von der Partie war. „Die Arbeitsteilung war einfach der Menge der zu schreibenden Noten geschuldet. Schließlich haben ich erst Ende August vom13. FilmFestival Cottbus – das den Streifen bei seiner heutigen Eröffnung zur Weltpremiere bringt – den Auftrag für die Komposition erhalten.“ Das zweisame Komponieren sei aber durchaus unproblematisch gewesen, da sich die psychologischen und Aktions-Szenen gut aufteilen ließen. „Wir haben uns die Anschlüsse gut zugearbeitet.“ Die „Nach-Arbeit“ an einem vorliegenden Klassiker habe durchaus auch Vorteile. „Schließlich gibt es keinen Regisseur, der sein Projekt wie ein Kind behütet und mitunter schon genau im Ohr hat, wie die Musik zu klingen hat. Bei so einem Projekt wie ,Mr. West“ gibt es zwar kein Feedback eines Produzenten oder eines Regisseurs, dafür aber eine größere Freiheit.“ Heidi Jäger Film-Live-Konzert mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg unter Leitung von Helmut Imig am 5. November, 20 Uhr, Theaterhaus Am Alten Markt. Karten unter Tel. 0331-98118.

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