
© Andreas Klaer
ZUR PERSON: „Museen brauchen Sammler“
„Die bürgerliche Sammlertradition war in Potsdam durch die DDR-Zeit unterbrochen.“ Ein Gespräch mit Andreas Hüneke anlässlich der Ausstellung „100 Jahre – 100 Exponate“ über das Sammeln von Kunst
Stand:
Herr Hüneke, sind Sie selbst Kunstsammler?
Ja, sowohl meine Frau als auch ich sammeln. Alles was wir als schön empfinden. Das kann auch belastend sein, vor allem räumlich.
Was war bei Ihnen der Auslöser, Kunst zu sammeln?
Ich war 19 Jahre, lebte in Magdeburg und las in einer Zeitung die Kritik über eine Ausstellung vom Maler Jochen Aue. Da stand dann in der typischen sozialistischen Ausrichtung, dass die Bilder nicht optimistisch wären und Aue zu viel Grau zeige. Statt des Magdeburger Hafens mit seinen Kohleschiffen könnte Aue doch die vielen schönen Grünanlagen in der Stadt malen. Diese Kritik hat mich gereizt, die Ausstellung in einer Buchhandlung anzuschauen. Und dann haben mir die Bilder so gut gefallen, dass ich eines davon haben wollte und auch kaufte.
Haben Sie das Bild noch heute?
Ja, natürlich.
Also steht am Anfang vom Sammeln das Besitzenwollen?
Das ist immer dabei.
Trotzdem sind Sie auch ein Sammler, der sich nicht nur auf das Private beschränkt, sondern sein Sammeln auch als eine Art öffentlichen Auftrag versteht, wie Ihr Engagement für die Ausstellung „Kunst ohne König“ und die regelmäßigen Schenkungen durch den Potsdamer Kunstverein an das Potsdam-Museum zeigen. Wie kam es zu diesem Engagement?
Das hat natürlich auch mit meiner DDR-Erfahrung zu tun, wo man offiziell nur eine bestimmte Kunstrichtung beziehungsweise Kunst zu sehen bekam. Dass es aber noch viel mehr gab, wurde klar, wenn man sich mit der Vielfalt der Künstlerszene beschäftigte. Daraus entstanden dann Bestrebungen, dass auch andere davon erfahren und vor allem das zu sehen bekommen.
Gehört dieser Typ des Sammlers, der sich auch der Öffentlichkeit gegenüber verpflichtet fühlt, eher zu einer Minderheit?
Historisch betrachtet würde ich sagen, dass ein großer Teil der Sammler schon immer daran interessiert war, dass deren Sammlung, wenn sie eine gewisse Größe erreicht hatte, auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Mit dem Potsdamer Kunstverein, dessen Vorsitzender Sie sind, betreiben Sie ja exemplarisch das Modell „Sammeln und Schenken an das Potsdam-Museum“. Ist das jetzt das Zukunftsmodell für öffentliche Museen, denen mittlerweile kaum noch Gelder für Ankäufe zur Verfügung stehen?
Nein, denn das ist eigentlich immer so gewesen. Es war in der DDR eine Ausnahme, weil die Kultur dort sehr stark unterstützt wurde. In der BRD war das in den 70er und 80er Jahren der Fall. Aber ansonsten hatten die Museen immer zu wenig Geld und waren immer auf Unterstützung durch private Sammler angewiesen. Das waren oft Sammler, die in Zusammenarbeit mit den Museen ihre Sammlung in Hinblick auf die Museumssammlung aufgebaut haben, sich fachlich beraten ließen.
Solche Sammler haben auch das Potsdam-Museum gegründet und deren Sammlung mit aufgebaut, aus der die heute beginnende Ausstellung „100 Jahre – 100 Exponate“ Beispiele zeigt. Wie stark ist diese Unterstützung durch solche Sammler noch heute ausgeprägt?
In den Städten, wo diese Tradition nicht unterbrochen wurde, ist dieses Engagement noch immer sehr stark vorhanden. In Hamburg beispielsweise gibt es sogar verschiedene Vereine für die unterschiedlichen Museen. Und was manche Museen dort an Mitteln aus privater Hand für Ankäufe zur Verfügung gestellt bekommen, da kann man blass werden. Potsdam hat das Problem, dass diese bürgerliche Sammlertradition durch die DDR-Zeit unterbrochen war. Diese wieder herzustellen ist sehr schwer.
Warum?
Um das vernünftig betreiben zu können, braucht es ein entsprechendes Vermögen. Aber das hat sich leider nicht herausgebildet. Mittlerweile gibt es zwar in Potsdam Zugezogene, die das entsprechende Vermögen und auch solche Interessen haben, aber keinen Ort finden.
Sie meinen mit Ort ein entsprechendes Museum?
Ja, es gibt kein Kunstmuseum mit einer entsprechenden Grundsammlung. Das Potsdam-Museum hat zwar eine Kunstsammlung, die aber kaum jemand kennt, weil es dafür keine Ausstellungsräume gibt. Außerdem bleibt diese Sammlung immer dem hauptsächlich kulturhistorischen Anspruch des Potsdam-Museums untergeordnet.
Sehen Sie mit dem neuen Museumsstandort im Alten Rathaus die Chance, dass diese Kunstsammlung dort wenigstens in Teilen gezeigt werden kann?
Das ist auf alle Fälle ein ganz wichtiger Schritt, wenn dort, wie ich hoffe, Ausstellungsräume nach den heutigen Standards geschaffen werden. Dann können dort auch Ausstellungen gemacht werden, die über das Lokale hinaus gehen, auch andere Leute anziehen und auf die Potsdamer Tradition der klassischen Moderne hinweisen. Für die Zukunft wünsche ich mir natürlich ein Kunstmuseum. Derzeit aber ist ein solcher Wunsch wenig realistisch.
Begrüßt das Potsdam-Museum und die Stadtverwaltung als Träger die Schenkungen durch den Kunstverein, gibt es da eine Zusammenarbeit oder doch eher Vorbehalte?
Das wird natürlich begrüßt. Es gibt ja auch den Förderverein des Museums, der sich ebenfalls für Kunstwerke engagiert. Museen brauchen einfach die Unterstützung durch solche Vereine. Heute mehr denn je.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Die Ausstellung „100 Jahre – 100 Exponate“ wird heute um 18 Uhr im Potsdam-Museum, Benkertstraße 3, eröffnet. Die Ausstellung ist dann bis zum 1. November, dienstags bis donnerstags, von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Andreas Hüneke, 1944 in Wurzen geboren, ist Kunsthistoriker, Kritiker, Ausstellungskurator und Vorsitzender im Potsdamer Kunstverein.
Nach der Schule arbeitet Hüneke als Theatermaler, Plakatmaler, Beifahrer und holte sein Abitur an der Abendschule nach.
Von 1965 bis 1970 studierte er Theologie und Kunstgeschichte an der Martin Luther Universität in Halle. Von 1971 bis 1977 war Hüneke wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Staatlichen Galerie Moritzburg Halle.
Von 1977 bis 1978 arbeitete er als Redakteur am Allgemeinen Künstlerlexikon in Leipzig. Seit 1978 ist er freiberuflich. Seit April 2003 lehrt und forscht Hüneke zur „Entarteten Kunst“an der Freien Universität Berlin.
Seit 1982 lebt Andreas Hüneke in Potsdam.
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