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Kultur: Musik der Trauer und des Nachdenkens

Kammerakademie Potsdam gedenkt in einem Konzert der Zerstörung der historischen Mitte vor 60 Jahren

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Kammerakademie Potsdam gedenkt in einem Konzert der Zerstörung der historischen Mitte vor 60 Jahren „Auf Veranlassung des Herrn Oberbürgermeisters der Stadt Potsdam zu Ehren der Roten Armee“ fand am 26. Mai 1945, knapp drei Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, im Konzerthaus in der heutigen Hegelallee das erste Konzert statt, in dem Opernmelodien von Verdi, Puccini und Bizet erklangen. Der Saal des späteren Hauses der sowjetischen Offiziere wurde nach 1945 ein wichtiger Konzertort für Potsdam. Auch der Nikolaisaal, die Bildergalerie und die Friedenskirche im Park Sanssouci dienten als Konzertsaal. Das erste Nachkriegs-Sinfoniekonzert absolvierte die Staatskapelle Berlin dann am 20. August unter der Leitung des bedeutenden Potsdamer Dirigenten und Komponisten Hans Chemin-Petit. Werke von Mendelssohn-Bartholdy, Brahms und Bruckner waren zu hören. Bereits wenige Wochen zuvor, am 29. Juli 1945, erklang in der Katholischen Kirche St. Peter und Paul Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem. Die Aufführung mit dem Städtischen Chor Potsdam (Dirigent: Hans Chemin–Petit) wurde zu einem ergreifenden Toten-Gedenken für die Opfer, die der Zweite Weltkrieg und damit auch die Zerstörung Potsdams am 14. April 1945 hinterließen. Zuhörer können sich noch heute an diese Aufführung genau erinnern. 60 Jahre nach der Zerstörung von Potsdams historischer Mitte, am 14. April um 19 Uhr, erinnert die Kammerakademie in einem Gedenkkonzert im Nikolaisaal an dieses furchtbare Ereignis. An diesem Abend wird der 1936 geborene Aribert Reimann auch über die Tage im Jahre 1945 sprechen. Mit seinen Eltern zog er 1944 zuvor nach Potsdam, in die Breite Straße, da deren Haus in Berlin zerstört wurde. Als am 14. April britische Bomber Potsdam trafen, wurde glücklicherweise das Haus, in dem die Reimanns Unterkunft fanden, nur leicht beschädigt. Die Familie überlebte den Angriff auf die einstige preußische Residenzstadt. Im Konzert der Kammerakademie Potsdam erklingt auch ein Werk dieses wichtigen deutschen Komponisten: die Metamorphose über ein Menuett von Franz Schubert für zehn Instrumente aus dem Jahre 1997. Im Gedenkkonzert (Leitung: Michael Sanderling. Solovioline: Isabelle von Keulen) stehen weitere Kompositionen von Zeitzeugen auf dem Programm, von solchen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und seinen katastrophalen Auswüchsen - Konzentrationslager und Angriffskriege – zu leiden hatten. So auch von Karl Amadeus Hartmann (1905-1963). „Dann kam das Jahr 1933, mit seinem Elend und seiner Hoffnungslosigkeit, mit ihm dasjenige, was sich folgerichtig aus der Idee der Gewaltherrschaft entwickeln musste, das furchtbarste aller Verbrechen – der Krieg“, schrieb Hartmann in seiner „Autobiografischen Skizze“ Er komponierte bei Kriegsausbruch 1939 sein „Concerto funebre“ für Solovioline und Streichorchester – eine Musik der Trauer, als viele glaubten, man erlebe einen Augenblick stolzer nationaler Freude. Für Hartmann selber hatte das „Dritte Reich“ jenen Zustand gebracht, den man später „innere Emigration“ nannte. Das Konzentrationslager musste der mährische Komponist Gideon Klein (1919-1945) am eigenen Leib erfahren, in Theresienstadt ab 1941. Dort schrieb er sein Divertimento für Bläseroktett, das in seinem Gestus an Musik seines Landsmannes Leos Janacek erinnert. Der Russe Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) gehört zu den ganz Großen der Komponistengilde des 20. Jahrhunderts. Sein Komponieren hatte oft etwas Doppelbödiges. Die im Zweiten Weltkrieg entstandenen Werke illustrieren die faschistische Invasion und den ungebrochenen Widerstand und Siegeswillen der Sowjetmenschen, sie sind aber auch eine indirekte Abrechnung mit Stalins Verfolgung, Deportation und Ermordung unbequemer Menschen im Sowjetreich. Die Kammersinfonie in c-Moll – eine Bearbeitung des 8. Streichquartetts – entstand im Sommer 1960 während eines Kuraufenthaltes in Gohrisch bei Dresden. Unter dem Eindruck der von den Kriegswunden noch längst nicht geheilten Stadt und der Erkenntnis, unheilbar erkrankt zu sein, schrieb Schostakowitsch ein autobiografisches Werk, das in seiner Elegie sehr nachdenklich stimmt. Diese Grundhaltung will sich auch das gesamte Konzert an diesem 14. April 2005 im Nikolaisaal annehmen Klaus Büstrin

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