Kultur: Musik trotzt allen Repressalien Strom und Wasser spielte mit Flüchtlingen im Lipa
Sie sind für Obdachlose 1000 Kilometer durch Deutschland gelaufen, sind für den Artenschutz 800 Kilometer durch deutsche Flüsse geschwommen und radelten, als dritte Etappe ihres sogenannten „moralischen Triathlons“, fast 7000 Kilometer durch deutsche Lande, um über 80 Flüchtlingslager zu besuchen, sich ein Bild zu machen von den Umständen, unter denen die Menschen aus Somalia, Gambia, Russland, Rumänien oder Afghanistan leben.Heinz Ratz, Initiator des Ganzen und Kopf der ausgesprochen politischen Band „Strom und Wasser“, hat auf dieser Reise viele talentierte Musiker getroffen und beschlossen, mit ihnen eine Band zu gründen.
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Sie sind für Obdachlose 1000 Kilometer durch Deutschland gelaufen, sind für den Artenschutz 800 Kilometer durch deutsche Flüsse geschwommen und radelten, als dritte Etappe ihres sogenannten „moralischen Triathlons“, fast 7000 Kilometer durch deutsche Lande, um über 80 Flüchtlingslager zu besuchen, sich ein Bild zu machen von den Umständen, unter denen die Menschen aus Somalia, Gambia, Russland, Rumänien oder Afghanistan leben.
Heinz Ratz, Initiator des Ganzen und Kopf der ausgesprochen politischen Band „Strom und Wasser“, hat auf dieser Reise viele talentierte Musiker getroffen und beschlossen, mit ihnen eine Band zu gründen. Diese Band konnte man am Donnerstagabend live im Lindenpark erleben. „Strom und Wasser“ feat. „The Refugees“ nennt sich das Projekt, das trotzig und gegen alle Repressalien wie ständige Polizeikontrollen auf der Autobahn, die Residenzpflicht der Flüchtlinge und akuter Mangel an finanzieller Unterstützung denen eine Stimme gibt, die sonst ungehört in zahlreichen deutschen Flüchtlingslagern verschwinden.
Hinter diesen Menschen, so der Musiker, verbergen sich die tatsächlichen Geschichten, die das Leben schreibt. Er erzählt von einem jungen Mann, dessen Odyssee fünf Jahre lang von Somalia über Ägypten, Saudi-Arabien, den Irak und die Ukraine bis nach Deutschland führte. Immer wieder ist der Mann losgelaufen, trotz zahlreicher Demütigungen, immer mit der gleichen Flasche Wasser in der Hand.
Auch der 18-jährige Hossein hat eine lange Flucht hinter sich. Aus Afghanistan floh er über den Iran in die Türkei, verdingte sich dort als Tellerwäscher, bevor es weiterging nach Griechenland. Dort verdiente er seinen Unterhalt als Straßenmusiker, bevor er schließlich in einer Hamburger Flüchtlingsunterkunft landete. Er ist definitiv das quirligste und offenste Mitglied der „Refugees“. Wenn er nicht selbst auf der Bühne steht und rappt, hüpft er vor ihr auf und nieder, heizt das kleine Publikum an und tanzt immer wieder zu den Rhythmen, die sich zwischen Reggae und Hip-Hop bewegen, aber auch mal ganz klassische Töne anschlagen, die vor allem von Keyboard und Querflöte getragen werden.
Besonders Revelino profitiert von diesem sensiblen musikalischen Einschlag. Der Musiker, der in seiner Heimat, der Elfenbeinküste, ein bekannter Reggaesänger mit systemkritischen Texten war und der aufgrund der Gefahr, die ihm durch diese Texte drohte, sein Land verlassen musste, lebt seit zwei Jahren in einem Flüchtlingsheim in Oldenburg.
In seinen Songs singt er eindringlich und mit weicher Stimme von seiner Heimat, begleitet von Percussionist Jacques, ebenfalls aus der Elfenbeinküste, und Sam, der aus Gambia stammt. Mit fliegenden Fingern bearbeiten diese beiden Musiker ihre Instrumente und machen es den Musikern von „Strom und Wasser“ nicht leicht mit ihrem Tempo. Aber diese halten mit und verbinden die eigene Musik, die sie selbst als SkaPunkPolka-Randfiguren-WalzerRock bezeichnen, mit den Einflüssen ihrer Gastmusiker.
Dieses Projekt möchte, so wie auch das Theaterstück „Der pinke Schal“, in dem ebenfalls mit Flüchtlingen zusammengearbeitet wurde und das deren katastrophale Behördenmarathons und das Degradieren der Menschen mit individuellem Schicksal zu Nummern thematisiert, sensibilisieren. Für Menschlichkeit. Mitgefühl. Engagement. Und darum: Spenden! Unter 1000brücken.de. Die 40 Potsdamer, die zum Konzert in den Lindenpark kamen, haben nicht einmal annähernd die Unkosten gedeckt. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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