Kultur: Mut zur Schaffenskraft
Miniaturen von Suse Globisch-Ahlgrimm im Pomona-Tempel auf dem Pfingstberg
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Hans-Joachim Giersberg, der ehemalige Direktor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, wurde nach eigenen Aussagen in seinem Leben von zwei außergewöhnlichen Frauen beeinflusst: von der Sixtinischen Madonna – und von Suse Globisch-Ahlgrimm.
Die 1920 in Neubrandenburg geborene Künstlerin hat offenbar vielen Menschen Positives mit auf den Weg gegeben und sie als Lehrerin mit (künstlerischem) Selbstvertrauen versorgt. Nicht wenige ihrer Schüler haben den Künstlerberuf gewählt und immer noch hallt ihr Ruf als begabte Lehrerin durch die Stadt.
Suse Ahlgrimm, die seit 1940 in Potsdam lebt und 1983 Hubert Globisch heiratete, ist nicht nur in ihrer Lehre ein Vorbild. Selbst jetzt, nachdem ihr Mann gestorben und ihr Lebensraum allein auf ihre Wohnung beschränkt ist, denkt sie positiv. Sie habe diese Mischung aus Selbstbeherrschung und Gelassenheit, die in dem französischen Wort Contenance wunderbar zusammengefasst sei, sagte Thomas Kumlehn am Donnerstag bei der Eröffnung der Ausstellung „Feldblumen Jakobsleiter“, die Miniaturen von Globisch-Ahlgrimm aus den letzten drei Jahren im Pomona-Tempel auf dem Pfingstberg zeigt.
Ihren eingeschränkten Lebensraum würde sie nicht als Fessel erleben, sondern besitze einen inneren Reichtum, und betrachte das Licht, das sich verändert, die Meise vor ihrem Fenster, die Wolken am Himmel. Kleine Dinge, in denen sie eine ganze Welt zu sehen und zu erleben vermag.
Die Miniaturen sind wirklich klein, man muss ganz nah an sie herantreten, um sie zu betrachten – und kleine Menschen können ein Problem mit der Hängung bekommen, weil sie die oberen kleinen Bilder eben nicht richtig sehen. Doch der Innenraum des Pomona-Tempels strahlt einen harmonischen Frieden aus, in dem die Werke wie flirrende kleine Insekten um den eigenen Kopf herumzuschwirren scheinen – es sind bunte Arbeiten, Überarbeitungen früherer Werke, aus denen Suse Ahlgrimm etwas herausgeschnitten und übermalt, verfremdet, verformt hat.
Heraus kommen Gebilde, die an Höhleninnenräume erinnern, in warmen Farben, wie kleine Tropfen honigsüßer Flüssigkeit manche, in anderen scheinen Feuersbrünste zu lodern, wieder andere nehmen uns mit bis auf den unbekannten Meeresgrund. Perlmutt, Muscheln, Sand und Meereswasser sind Assoziationen, die sich anschmiegen wie die Gedichte von Louise Glück in der Übersetzung von Ulrike Draesner: „Was sagst Du? Dass du ewiges Leben willst? Sind deine Gedanken wirklich so fesselnd?“ sprechen die ersten Zeilen aus „Feldblume“ mahnend, und mitten in die Harmonie der Miniaturen schleichen sich Zweifel und eine Sicherheit – die der (eigenen) Vergänglichkeit. Obwohl Suse Ahlgrimm andere mit ihrem Mut und Zuspruch stärken konnte, ist auch sie nicht frei von Unsicherheiten: „Seit langem nichts mehr getan. Ist es soweit? Ausgetrocknet? Versiegte der kleine Wasserlauf? Wie einen ersten Pinselstrich machen? Die leere Fläche“ lauten einige Sätze in der schönen Handschrift der Künstlerin, sie wirken paradoxerweise selbstsicher hingeworfen und berichten doch von schweren Ängsten. Kunst geht wohl nur durch Überwindung der behindernden Fesseln, und durch den listigen, immer wieder durchsetzungsfähigen Mut zum Glauben an die eigene Schaffenskraft. Der hat sich auch bei diesem, Spätwerk durchgesetzt und lässt in der abstrakten Klarheit mal einen Felsen erahnen, schneebedeckte Berge, Geröllbrocken.
Suse Ahlgrimm zeigt, dass selbst in einer Situation, in der andere verzweifeln, das Leben für einen empfindenden Menschen immer noch Reichtum bereithält – nicht nur inneren. Die aktuellen Miniaturen werden von vier Naturzeichnungen aus den 40er und 50er Jahren begleitet, die recht klassisch und figurativ sind, aber auch sie: zeitlos schön.
So wird im kleinen Raum des Pomonatempels ein Kreis um ein ganzes großes Künstlerleben geschlossen.
Bis 22. Juni, Pomonatempel, Pfingstberg, Sa/So und an Feiertagen von 15 bis 18 Uhr
Lore Bardens
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