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Da möchte man manchmal auch schreien. Simone Neuhold und Stephan Wapenhans „Im Weißen Rössl“.

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Zum Schreien schlimm: Nach 30 Minuten die Flucht

„Im Weißen Rössl“ in der Potsdamer Waschhaus-Arena – Wo soll das bloß noch hinführen?

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So viel vorweg: Der gute Wille war da. Die Bereitschaft, sich auf diese Inszenierung einzulassen, die in den vergangenen Wochen immer wieder im Zusammenhang mit der Diskussion um das Waschhaus und das Agieren des derzeitigen Geschäftsführers Wilfried Peinke erwähnt wurde: Die Revueoperette „Im Weißen Rössl“ in der Version des „event-theaters“ aus Brandenburg.

Peinke, der angeblich wegen Unterfinanzierung der Waschhaus gGmbH, Eigenproduktionen nicht finanzieren kann oder will, hat im Mai auf die Fremdproduktion „Weißes Rössl“ gesetzt. Drei Vorstellungen in der Waschhaus-Arena waren geplant. Pro Vorstellung 600 Plätze, so das Kalkül Peinkes in einem PNN-Gespräch im März. Das Unbehagen darüber, ob das Waschhaus wirklich der richtige Ort sei für ein solches Singspiel, wollte Peinke nicht teilen. „Das Weiße Rössl ist eine Inszenierung, von der ich glaube, die geht“, sagte Peinke in einem PNN–Interview. Am Mittwoch nun war die erste Vorstellung vom „Weißen Rössl“ in der Waschhaus-Arena zu erleben.

Gut zwei Stunden dauerte die Inszenierung in der Regie von Sylvia Kuckhoff. Und wie schon gesagt, der gute Wille war da. Aber nach 30 Minuten blieb nur noch eines: FLUCHT!

Am 8. November 1930 wurde das Singspiel in drei Akten von Ralph Benatzky in Berlin uraufgeführt. Wer „Im Weißen Rössl“, das nicht ohne Grund ganz tief unten in der Mottenkiste für die ganz besonders schweren Fälle liegt, wieder auf die Bühne holt, muss schon eine überzeugende Idee haben für diese Heimatschmonzette. Ein Kellner ist in seine verwitwete Chefin verknallt, die sich aber nur für einen Berliner Rechtsanwalt interessiert. Als auch noch ein Berliner Fabrikant samt Töchterchen „Im Weißen Rössl“ aufkreuzt, nimmt das profane Treiben um das Wer-soll-nun-wen-lieben und das Wie-steche-ich-am-besten-meinen-Nebenbuhler-aus den vorhersehbaren Weg. Gewürzt wird das alles mit Liedern wie „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?“ oder „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“.

Regisseurin Sylvia Kuckhoff hat sich bei ihrer Inszenierung „für die Varietéfassung der Berliner Bar jeder Vernunft entschieden“, wie es im Pressetext heißt. Zur Erinnerung: Diese Inszenierung war mit Meret Becker und Otto Sander, mit Max Raabe, Ursli und Toni Pfister besetzt. Eine Inszenierung, die gezeigt hat, wie viel Lust und Laune und Klamauk mit diesem Rössl getrieben werden kann. Davon war in der Version des „event-theaters“ nichts, aber auch gar nichts zu spüren.

Schon nach wenigen Minuten wurde deutlich, wie bemüht das alles auf der kleinen Bühne gegeben wird. Da steckt ein Mann in Frauenkleidern und hebt ständig und zwanghaft sein Röckchen, Simone Neuhold als Wirtin Vogelhuber gibt sich zwar humorig, wenn sie spricht. Fängt sie an zu singen, tut sie das so ernsthaft und pathetisch und dramatisch, als wäre dies ein Liederabend mit Sterbearien. Lucas Weißbach versucht sich als Piccolo, Harald Arnold brüllt als Fabrikant Sülzheimer jedes blasse Witzchen zu Tode und Holger Duvnjak scheitert grandios, wirklich grandios in der Rolle des Rechtsanwalts Siedler. Einzig Stephan Wapenhans als liebestoller Zahlkellner Leopold vermag, Glanzlichter zu setzen. Doch was nützt das, wenn am rechten Bühnenrand ein musikalisches Begleitensemble agiert, das jede drittklassige Dampferkapelle an die Wand spielen würde.

So sitzt man und starrt fassungslos auf die Bühne. Gibt sich anfangs noch der trügerischen Illusion hin, dass es vielleicht, im Laufe des Abends besser wird. Gibt sich kämpferisch mit der Mantra: Komm, halt durch! Komm, halt durch! Bis sich der Halbsatz einschleicht, ... nur noch bis zur Pause! Dazu die Claqueure in der letzten Reihe, die nach jedem der dünnen Liedchen johlen, als würde dort vorn Operettengeschichte geschrieben.

Als dann Holger Duvnjak wieder durch seinen Text holzt und stolpert, um danach „Die ganze Welt ist himmelblau“ anzustimmen, ist der Punkt erreicht, seinen Platz fluchtartig zu verlassen. Hier greift nicht einmal mehr das Phänomen des Fremdschämens, hier packt einen nur noch das blanke Entsetzen. Aber diese 30 Minuten im „Weißen Rössl“ hatten auch etwas Gutes. Sie haben einem gezeigt, wie wichtig es ist, für das zu kämpfen, was das Waschhaus ausmacht, wofür es steht und was sich dort entwickelt. Und dass dieser eine Satz, der in den vergangenen Wochen immer wieder zu hören war, nur Galgenhumor bleibt und nicht zur Wahrheit wird: Das Waschhaus schafft sich ab! Zwar nimmt die Kritik am Agieren Peinkes zu, doch die Situation ist verfahren.

Vor zwei Wochen haben die Stadtverordneten auf Antrag der SPD beschlossen, die Waschhaus gGmbH, die von der Stadt jährlich mit 340 000 Euro gefördert wird, dahingehend zu überprüfen, ob sie ihrem Anspruch als soziokulturelles Zentrum überhaupt noch gerecht wird. Bis September soll ein Ergebnis vorliegen. Doch gestaltet sich die Kommunikation zwischen der Verwaltung und Wilfried Peinke, diplomatisch ausgedrückt, problematisch. Die Gesellschafter der Waschhaus gGmbH äußern sich nicht. Weder gegenüber der Verwaltung noch gegenüber der Presse. Als Ansprechpartner wird immer wieder der Geschäftsführer genannt. Und der kann agieren, wie es ihm gefällt.

Erst vor kurzem hat Wilfried Peinke mit Robert Witzsche einen der kreativen und organisatorischen Köpfe im Waschhaus entlassen. Einem Journalisten gegenüber hat Peinke offen erklärt, dass die Entlassung nach Meinungsverschiedenheiten erfolgt sei. Kritik duldet dieser Mann nicht. Programmatische Kritik, die in einem Veranstaltungshaus wie dem Waschhaus so wichtig ist. Denn erst durch Kritik und Auseinandersetzung entstehen auch neue Ideen. Doch das weiß Peinke sehr gut zu verhindern. Dass zwischen ihm und Katja Dietrich-Kröck, Galeristin im Kunstraum und Anja Kozik, Leiterin der Oxymoron Dance Company, ein angespanntes Verhältnis herrsche, daraus macht Peinke auch keinen Hehl. Die eine hat er schon vors Gericht gezerrt, der anderen wollte er kein Geld für das Tanzstück „Die Heimsucher und der Kosmopolit“ geben.

Die Waschhaus-Mitarbeiter selbst äußern sich nicht. Aber man muss nur in ihre Gesichter schauen, um zu erkennen, dass ihnen die Situation zu schaffen macht. Und man muss befürchten, dass die Kritik an Peinke, der unter dem Deckmantel der Wirtschaftlichkeit das Profil des Waschhauses verändern will, irgendwann auch pauschal auf eben diese Mitarbeiter übertragen werden kann. Mitarbeiter, die mit dem Kunstraum oder Oxymoron, mit Rubys Tuesday und Red Wall genau das geschaffen haben, wofür das Waschhaus steht: Ein Haus, in dem Kunst und Kultur durch eigene Ideen entsteht. Mittlerweile hat sich auch eine Initiative aus jungen Mitarbeitern und Freunden des Waschhauses gebildet, die in ihrer Freizeit die Räume gestalten. Und genau das ist es doch, was sich nach der Sanierung immer wieder gewünscht wurde: Dass die jungen Leute das Haus für sich erobern. Doch wenn nur noch das Kalkül zählen soll, Veranstaltungen, die sich rechnen, haben es solche Initiativen schwer.

Apropos Kalkül. „Im Weißen Rössl“ haben am Mittwoch gut 60 Besucher gesehen. Von den drei geplanten Veranstaltungen ist eine gestrichen worden. Am Samstag, dem 21. Mai, ist dieses Debakel aber noch einmal in der Waschhaus-Arena zu erleben. Wer es mit der Angst zu tun bekommen will, wenn er sieht, was aus dem Waschhaus werden könnte, dem sei ein Besuch empfohlen.

Dirk Becker

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