Kultur: Nach der großen Sause
Jetzt ist erst einmal Luftholen angesagt. Die ersten Festwochen zum 300.
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Jetzt ist erst einmal Luftholen angesagt. Die ersten Festwochen zum 300. Geburtstag Ihro Durchlaucht Friedrich II. sind überstanden. Trotz „Happy Birthday“- und „Hoch soll er leben“-Gejubel im Vorfeld ist die befürchtete Königsverklärung ausgeblieben. Bis auf ein paar skurrile Ausnahmen. Die wahren Höhepunkte erlebte der aufmerksame Zeitgenosse am vergangenen Dienstag, dem Geburtstag des gern groß genannten Friedrich, nicht bei der großen Sause unter dem Titel „Friedrichs Nacht zum 300. Geburtstag in der historischen Innenstadt“. Zu den wirklich Glücklichen darf sich zählen, wer dem Treiben an diesem Tage rund um das Grab des Monarchen neben dem Schloss Sanssouci beiwohnen durfte. Das war Operette und ganz großes Kino, Maskenball und seltener Einblick in Parallelwelten in einem. Und alles im Namen eines Königs, der sich nichts sehnlicher gewünscht hat – aber vielleicht war er auch hier nur wieder der ungeschlagene Meister der Selbstinszenierung – als nach seinem Ableben still neben seinen geliebten Windspielen beerdigt zu werden. Genau dort, auf dem Hügel zu Sanssouci. Und dann dieses Spektakel!
Angenehm zurückhaltend dann das Fest am Abend, mit dem Auftakt im Nikolaisaal. Auch der Protest draußen auf der Straße blieb gesittet. Ein „Preußen ist Scheiße“–Banner, laute Musik vom Band und öffentliches Biertrinken: Von einer Initiative mit dem martialischen Namen „Fuck off Fritz“ hatte man wohl Schlimmeres erwartet. Mehr erwartet hatte man auch vom Elbipolis Barockorchester Hamburg, das elektronisch umrahmt Kostproben aus dem kompositorischen Schaffen Friedrich II. gab. Wer wissen beziehungsweise hören will, was diese Musiker können, dem sei deren Album „Johann Christian Schieferdecker. Musicalische Concerte (Hamburg 1713)“ (Challenge Classics) zu empfehlen. Hat zwar nix mit dem Alten Fritz zu tun, aber so ein straff-lustvolles, so ein strahlend-jubilierendes und so lebendiges Musizieren wie bei den Elbipolisern, das kommt schon fast einer Offenbarung gleich.
Und dann gleich noch eine Empfehlung in diesem, unserem Fritzjubiläumsjahr: die Oper „Montezuma“ von Graun nach einem Entwurf von Friedrich II. Erstmals war sie zu erleben bei den Musikfestspielen 2010, dann wieder vor einer Woche in zwei Aufführungen im Schlosstheater. Die junge Sängerin Tehila Nini Goldstein als Neubesetzung der Eupaforice in dem ohnehin schon ausgezeichneten Sängerensemble ebenfalls fast schon eine kleine Offenbarung, auch wenn ihr zum Ende hin etwas Kraft fehlte. Egal, diese Inszenierung mit der Kammerakademie Potsdam ist und bleibt ein Fest. Im Juni stehen wieder zwei Aufführungen auf dem Programm! Dirk Becker
Dirk Becker
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