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Retrospektive des Potsdamer Malers Sprotte: Nach Hause kam er am liebsten

Im April eröffnet im Potsdam-Museum unter dem Titel „Die Welt farbig sehen“ eine große Retrospektive zum 100. Geburtstag des Potsdamer Malers Siegward Sprotte. Auf einer Fläche von 600 Quadratmetern wird Sprottes Lebenswerk in seiner Komplexität gezeigt, 160 Arbeiten des Künstlers, die von 1929 bis 2003 entstanden sind. Mit Beiträgen in loser Reihenfolge stimmen die PNN auf diese Ausstellung ein.

Stand:

Ein Augenmensch. Das war der Maler Siegward Sprotte. Mit der Sensibilität seiner Wahrnehmung stieß er auf Bilder, die gemalt werden mussten, „weil die Musik ihrer Farben, das Spiel der Töne, die Stufenfolge der Helligkeiten, und Schatten zu keiner Stunde dieselben sind“, schrieb der Dichter Hermann Hesse. Die poetische Inspiration dafür fand der Künstler in der Landschaft oder auch in Pflanzen.

Am 4. September 2004 starb Siegward Sprotte auf Sylt, wo er seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wohnte. Auf dem Bornstedter Friedhof wurde er zur letzten Ruhe gebettet. Denn begonnen hat sein 91-jähriges Leben in Bornstedt, in der Katharinenholzsraße. „Als meine Mutter mit mir schwanger ging, folgte sie dem Rat von Heinrich Heine, Bilder und Bildwerke zu sehen, so als entständen sie vor dem inneren Auge. Der Umgang mit der bildenden Kunst, so Heine, wirke bildend sich aus – nicht zuletzt für ein heranwachsendes Leben“, schrieb Sprotte in seinen autobiografischen Schriften. Die Eltern hatten ein Augenmerk darauf, dass ihr Sohn Siegward sich früh mit der Kunst und mit der ihn umgebenden Natur beschäftigte, die gewachsene Landschaft, doch auch die von Menschenhänden gestaltete. Und natürlich die mit ihr verbundene Geschichte. Vom Vater, ein Postbeamter, hatte er das Interesse an brandenburgisch-preußischer Geschichte geerbt. Er soll mit Fontanes „Wanderungen“ in der Hand märkische Städte und Dörfer erkundet haben. Von der Mutter, die selbst aquarellierte, lernte er mit zehn das Aquarellieren. „Es war Malen aus der gegenwärtigen Anschauung“, erinnerte sich Siegward Sprotte.

Ein paar Jahre später, mit fünfzehn, fuhr Siegward Sprotte an Juni-Abenden von der Bornstedter Katharinenholzstraße in die Straße Am Raubfang nach Bornim, quasi um die Ecke. Dort hatte der Gärtner, Staudenzüchter und Schriftsteller Karl Foerster sein Areal. Die von Foerster gezüchteten neuen Staudensorten machten ihn weltberühmt, unter anderem der Rittersporn. „In der Dämmerung begegnete ich Karl Foerster in seinem Garten, die Farben belauschend, wie sie nach Sonnenuntergang vor dem Eintritt der Nacht erblühen. In der blauen Stunde erlebte der Freund sein blaues Wunder.“ Es war der Rittersporn. Ein 1931 entstandenes Ölbild von der Foerster-Staude mit ihren verschiedenen Blautönen hat nichts mit starrer und lieblicher Blumenmalerei zu tun. Die malerische Brillanz, die der „Rittersporn“ erhielt, macht das Bild zu einem gestalterischen Höhepunkt im Schaffen des jungen Malers. In dieser Zeit wurde er auf Empfehlung von Karl Foerster Mal-Schüler des Werderaner Altmeisters Karl Hagemeister. Der riet ihm: „In den Süden gehen Sie nicht! Sie gehen in den Norden! Im Süden ist keine Stimmung. Das ideale Studiengebiet für einen Maler sind die Havelseen und die Entenfängerteiche am Rande des Wildpark und die Insel Rügen!“

Die Eindringlichkeit, mit der Hagemeister sogenannte einfache Sujets ins Bedeutsame steigerte, hat auch Sprotte angesprochen. Er bewunderte an seinem Lehrer, dass er nie den Rhythmus bei seinen Wellenbildern verlor, dass er sie nie konturierte. Die Nordsee mit ihren oft stürmischen Bewegungen hatte er auf Sylt vor der Haustür. Doch das Meer wollte er nicht wie eine Bühne malen. „Strand und Meer sollen eins sein auf meinen Bildern. Genau so: wenn ich einen Zweig male, der in den Himmel hineinträgt, so will ich damit nicht einen Gegensatz, sondern eine Begegnung malen.“

Siegward Sprotte hat den Rat Hagemeisters angenommen, sich malerisch nach dem Norden zu wenden. Doch ein Besuch in Italien musste sein. Er hatte Verlangen nach den lichterfüllten Landschaften und Städten von Kunst und Kultur, nach Schönheit und Vollkommenheit. 1936 reiste er in das mediterrane Land. In den Uffizien von Florenz, wo gerade eine Sonderausstellung mit Werken Leonardo da Vincis zu sehen war, studierte er dessen Zeichnungen. Als er wieder zurückkam, schrieb Sprotte in sein Tagebuch: „Von Italien zurück, erlebe ich in diesen drei Wochen, wo meine Eltern anlässlich ihrer Silberhochzeit in die Berge verreist sind, die Katharinenholzstraße 8: alles was an ihr hängt, in ihr lebt und wirkt, sehe ich mit geweihtem Blick, genauso wie ich ganz Potsdam mit neuen Augen sehe, als hätte ich es nie gesehen.“

Als Atelier wurde ihn in den 30er Jahren auf dem elterlichen Grundstück ein Stall eingeräumt. Aber am liebsten malte und zeichnete er vor der Natur, so den Bornstedter See, der wie ein weltenfernes Gewässer im Urwald wirkt, einen wohl vergessenen Kirschbaum im nahe gelegenen Garten, einen Akazienbaum im Park Sanssouci, der von Efeu elegant gefesselt wird, eine Straßenlaterne, an dem sich zwei Straßen zu einem nicht enden wollenden Rendezvous treffen und natürlich das melancholisch, traurig wirkende Rosenkohlfeld im Schnee, das Foerster „Winterente“ taufte.

In Bornstedt beschäftigte er sich neben den altmeisterlichen italienischen Malweisen des 15. und 16. Jahrhunderts bereits mit chinesischer Kunst und ihren Techniken, die ihn sein Leben lang intensiv künstlerisch begleiten sollten, die Reduktion der in der Natur vorgefundenen Elemente, mit der das Wesentliche sichtbar wird. In den letzten Jahren seines Lebens kam er immer öfter nach Bornstedt. Er baute sich auf dem Grundstück seiner Eltern in der Katharinenholzstraße ein Holzhaus. Gern malte er stundenlang im kunstvollen Garten von Ursula Ebert, einer Tante von Wolfgang Joop, blühende Stauden, auch den geliebten Rittersporn. Auf einer Zeichnung mit Gräsern schrieb er: Nach Hause komme ich am liebsten.

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