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Kultur: Naiv? Na und!

Ausgelassene Stimmung beim „Border Breakin“ Beatz“- Festival im Waschhaus

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Ausgelassene Stimmung beim „Border Breakin“ Beatz“- Festival im Waschhaus Eine feine Veranstaltung, die auf dem Open Air-Gelände des Waschhauses am Samstag auf die Beine und Bühne gestellt wurde: „Border Breakin“ Beatz“ wollte Grenzen durchbrechen, Kopf-Mauern einreißen, versöhnen, informieren und musikalisch ein Feuerwerk abfeuern. Kein leichtes Unterfangen, doch die Veranstalter, das Diakonische Werk Potsdam e.V. und das Waschhaus, verstanden es bestens, sozial-politische Aufklärung mit exzellenter Unterhaltung zu verknüpfen. Die Initiative „Pro Asyl“ machte auf die schlechten Bedingungen aufmerksam, unter denen Flüchtlinge in Deutschland oft jahrelang leben müssen. Bürokratiewahn, Ausgrenzung und Diskriminierung – ein Leben am Existenzminimum schürt Angst und Unsicherheit unter den Asylsuchenden. Ein weiteres Projekt, „Grenzgänger“, bringt Jugendliche aus Palästina und Israel zusammen. Der 17-jährige Rami Lama aus Bethlehem ist begeistert: „Wir kommen hier mit Jugendlichen aus Israel zusammen, in einer Atmosphäre, die man sich in meinem Heimatland schwer vorstellen könnte. Wir lachen, singen und tanze gemeinsam auf neutralem Boden“. Doch trotz des guten Kontakts macht sich Rami keine Illusionen auf einen dauerhaften Frieden zwischen beiden Ländern in den nächsten Jahren. Zu festgefahren seien die politischen Prozesse, zu stur die Regierungen und auch unter den Jugendlichen gebe es viele radikale. Dann muss er sich beeilen, um sich eine gute Sicht auf „Casino Gitano“, die erste Band des Abends, zu ergattern. Die Frauen in bunten Kleidern, die Männer mit Schnauzer und Rotweinflaschen in greifbarer Nähe – die 14-köpfige Band umgibt sich mit einer sympathischen Zigeuner-Aura. Musikalisch ist es einfacher, Einflüsse zu finden, die ihre Musik nicht tangiert haben. Außer mongolischem Obertongesang haben „Casino Gitano“ so gut wie alles vereinnahmt: Balkanklänge, trashige Polka, stampfender Flamenco und trauriger Tango. Immer mitschwingend eine unmanierliche Punk-Attitüde und jede Menge Spaß am Feiern. Zur ausgelassenen Bühnenshow gesellt sich eine augenzwinkernde Tragik. Das Publikum ist nach kurzer Aufwärmphase begeistert tanzend beim Zigeuner-Folk-Punk der Band dabei. Mit „Gaya“ folgt eine israelische Band, die gekonnt modernen, groovenden Pop-Rock mit traditioneller jüdischer Musik verbindet. „Let Love Rule“ propagieren sie und am Ende gibt „Gaya“ das universelle Schlagwort der Versöhnung: „Yachad“ (hebräisch: „Zusammen“). Naiv? Na und! Der Tanzkreis vor der Bühne beweist die Tauglichkeit, zumindest im kleinen Rahmen. In den Umbaupausen können sich in Trommelworkshops die Hände warm geklopft werden, die Capoeira-Gruppe aus Potsdam führt ihr Können vor und Feuerkünstler erhellen die Nacht. Als Highlight des Abends beschallen die „17 Hippies“ den Hof des Waschhauses. Inzwischen zu Stammgästen in Potsdam avanciert, machen die Berliner Blumenkinder das, was sie am Besten können: gute Laune und tanzbare Weltmusik unters Volk bringen. Das Groß-Ensemble kocht Balkanfolk und Klezmermusik mit unzähligen anderen Ingredienzen zu einer Melange, die Beine und Ohren gleichzeitig verzückt. Einmal mehr machen sie deutlich, dass die „17 Hippies“ mehr als die Summe ihrer einzelnen Teile sind. 16 Musiker stehen auf der Bühne und trotzdem kann jedes Instrument mühelos geortet werden. Zum Schluss mischt sich noch der „Gaya“-Frontmann unter das Hippievolk und musiziert fleißig mit. Der Schlüssel ist schießlich „yachad“: zusammen. Christoph Henkel

Christoph Henkel

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