zum Hauptinhalt
Im Kreis der Neuen Musik. Kirsten Harms, Nikolaus Schlierf, Cosima Gerhardt und Susanne Zapf (v.l.) sind zusammen das Sonar Quartett und während der Intersonanzen auch in Potsdam zu erleben.

©  pr

Kultur: „Neue Musik braucht Neugier“

Ein Gespräch mit Michael Schenk über zehn Jahre Intersonanzen und die Angst des Publikums

Stand:

Herr Schenk, in diesem Jahr feiern Sie das zehnte Jubiläum der Intersonanzen, dem Brandenburgischen Fest der Neuen Musik. Worin liegt nach all den Jahren noch immer die größte Schwierigkeit: Die nötigen Fördergelder einzuwerben oder das Publikum für Ihr Programm zu begeistern, Neugier für die Neue Musik zu wecken?

Was das Publikum betrifft, sind die Zahlen stabil. Im Vergleich zu den Vorjahren ist da eine Kontinuität vorhanden. Aber wir sind da realistisch und wissen, dass da auch in der Zukunft nicht mit dem großen Ansturm zu rechnen sein wird. Wir haben einen Freundeskreis in Potsdam und dann kommen immer auch Interessierte aus Berlin und Brandenburg. Hinsichtlich der Fördermittel haben wir in diesem Jahr noch gerade so die Kurve kriegen können. Problematisch wird es im kommenden Jahr.

Inwiefern?

Uns wurde schon aus dem Kulturministerium signalisiert, dass alle Vereine, die projektgebundene Förderungen beantragen, hinsichtlich ihrer Alleinstellungsmerkmale und der Öffentlichkeitsresonanz noch einmal auf den Prüfstand kommen.

Was das Alleinstellungsmerkmal betrifft, brauchen sich die Organisatoren der Intersonanzen ja keine Gedanken machen. Das Festival ist zwar klein, aber in seiner Art einmalig in Brandenburg.

Ja, und in der Kulturszene von Brandenburg haben die Intersonanzen einen guten Ruf und dienen auch als Plattform zur Präsentation von neuen Stücken. Wir sehen das ja jedes Jahr an den zahlreichen Anfragen von Solisten und Ensembles aus ganz Deutschland, die bei uns auftreten wollen. Da wird dann auch deutlich, dass Komponisten und Gegenwartsmusiker einfach zu wenige Möglichkeiten haben, ihre Werke aufzuführen. Das zeigt sich auch jedes Jahr bei den Intersonanzen, wo ein Großteil der Konzerte oft auch Uraufführungen sind.

Die Intersonanzen nennen sich „Brandenburgisches Fest für neue Musik“. Bedeutet das, dass der Schwerpunkt des Festivals auf Komponisten und Ensembles aus dem Land Brandenburg liegt?

Das auf jeden Fall. Und die Entwicklung in den vergangenen Jahren können wir nur als positiv bezeichnen. Viele junge Komponisten sind mittlerweile Mitglieder im veranstaltenden Brandenburgischen Verein Neue Musik und treten so auch als Organisatoren in Erscheinung. Sei es nun in der Auswahl der Kompositionen für die Intersonanzen oder indem sie verschiedene Ensembles vorschlagen.

Die Intersonanzen verstehen sich auch als Festival der Grenzüberschreitungen.

Ja, das wird auch an unserem Jubiläumsprogramm deutlich. Natürlich haben wir Komponisten eingeladen, die ausschließlich für kammermusikalische Besetzungen schreiben. Aber dann werden natürlich auch die Werke zu hören sein, wo diese Mixtur von Kammermusik und Elektronik stattfindet und die verschiedenen Genreüberblendungen mit Malerei, Zeichnungen und mit poetischen Worten. Daneben auch Mischformen aus dem Kompositionsbereich und viel Improvisationen. Gleichzeitig treffen sich bei den Intersonanzen in diesem Jahr zwei Generationen von Komponisten. Neben den jungen Vertretern gibt es ein Konzert zum 80. Geburtstag von Paul-Heinz Dittrich. So ist das Programm an den vier Tagen auch ein Überblick über die vergangenen zehn Jahre der Intersonanzen.

Das klingt alles sehr interessant. Trotzdem hat die Neue Musik immer noch mit dem Problem zu kämpfen, dass sie eher abschreckt als ein Publikum anzuziehen.

Wir bieten da schon eine Menge Handreichungen, die den Zugang zur Neuen Musik erleichtern. Seit mehreren Jahren gibt es in unserem Programmheft entsprechende Werkseinführungen. Unser diesjähriges Eröffnungskonzert soll in einer ganz lockeren Atmosphäre in der Sperl Galerie unter dem Motto „Dialog der Künste“ stattfinden. Eine Art Begegnungen von Improvisation, Poesie und Malerei, dazwischen dann überschaubare, trotzdem aber spannende Solostücke für Harfe und Flöte. Wir wollen auch aus dem Raum herausgehen, vor der Galerie die Straße bespielen und so die strenge Konzertatmosphäre aufbrechen.

Aber es ist doch weniger die strenge Konzertatmosphäre sondern die Neue Musik selbst, die für viele eine enorme Hemmschwelle darstellt.

Es geht natürlich bei der Neuen Musik vor allem darum, das Zuhören zu schulen. Wir sind schon in der Lage, relativ viel und Differenziertes, Feines und Mehrgliedriges im akustischen Umfeld unseres Alltags wahrzunehmen. Oft aber wird das durch das Bekannte und zu Laute überdeckt. Da bietet die Neue Musik auch die Möglichkeit, das Hören wieder neu zu entdecken.

Sie selbst bieten während der Intersonanzen einen Soundwalk an. Ist das als eine Art akustischer Stadtspaziergang zu verstehen?

Ja, das ist im Grunde eine Weiterführung der akustischen Klanglandschaften, die wir im Alltag hören. Die man natürlich auch mit musikalischen Parametern interpretieren und ästhetisieren kann. Das passiert, wenn man beispielsweise Soundporträts von Städten komponiert. Eine Art Hörfilm, mit dem dann schon eine Art Verkunstung entsteht, ein mehrschichtiges Hören in unbekannte Bereiche. Das setzt natürlich voraus, dass man ein neugieriger Typ ist. Dann öffnet man aber gern seine Ohren vor allem für das Live-Erlebnis, den aktuellen Moment der Musik.

Also ist Neue Musik eher etwas für das Erleben im Konzert?

Ich bin prinzipiell kein großer Freund von neuer Musik auf der CD oder im Radio. Natürlich müssen Musiker und Komponisten auch darauf zurückgreifen. Aber die überzeugendste Wirkung von Neuer Musik ist wie beim Jazz oder der Improvisierten Musik das Dabeisein. Und da entstehen so viele spannende Momente, wenn das Publikum die Musiker erlebt. Denn durch die Musik werden denen ein paar Hürden aufgestellt, die sie bezwingen wollen. Das ist dann immer auch ein Abenteuer des Mitfühlens.

Ein Abenteuer, das immer wieder verwirrt und vor den Kopf stößt, weil es mit den Hörgewohnheiten bricht.

Und eine Musik, bei der man nicht weiß, wie es weitergeht. Das ist es, was viele als Problem empfinden. Aber das ist doch gerade das Interessante! Genau wie unser Leben so unendlich viele Möglichkeiten bietet, so zeigen auch die Komponisten ihr eigenes Jetzt beispielhaft in einem Werk. Neue Musik ist dabei eine zeitgenössische Musik, die nicht nur die Unterhaltung favorisiert. Ich will nicht sagen, dass diese Musik nicht unterhalten kann. Aber das erfordert dann auch eine gewisse intellektuelle Bereitschaft und Leistung. Neue Musik ist immer auch eine Herausforderung. Aber immer noch lassen sich zu wenige darauf ein, weil bei vielen eine regelrechte Angst vorhanden ist, nicht zu verstehen, was auf der Bühne passiert. Aber darum geht es nicht. Es geht um das Erleben einer neuen, oft noch unbekannten Klangsprache.

Das Gespräch führte Dirk Becker

www.intersonanzen.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })