Kultur: Neue Türen öffnen sich
Heute Premiere: Herbert Olschoks erste Märcheninszenierung „Zwerg Nase“
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Herbert Olschok ist mit Märchen aufgewachsen. „Da wir zu arm waren, um uns einen Fernseher leisten zu können, saßen wir abends immer in der Wohnküche, und meine Mutter las uns vor.“ „Das kalte Herz“ war sein Lieblingsmärchen. Als er jedoch die DEFA-Verfilmung im Kino sah, rannte er weinend raus. Aber auch „Zwerg Nase“ hatte es ihm angetan. Noch heute kann er sich für diese Geschichte vom kleinen Jacob, der sieben Jahre den Haushalt der bösen Fee schmeißen muss, begeistern. Ein besseres Unterpfand kann es wohl kaum geben, um ein Stück hoch motiviert auf die Bühne zu bringen. Es ist die erste Märchenproduktion des gestandenen Regisseurs, der an zahlreichen Theatern wie dem Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, dem Berliner Ensemble oder dem Nationaltheater Weimar engagiert war und ab Januar Oberspielleiter in Dessau ist. Auch in Potsdam schrieb er sich mit Inszenierungen wie „Leben ein Tanz“ „Der Feuerwehrball“ oder „Goebbels & Geduldig“ nachhaltig in die Erinnerung ein.
Für den 54-jährigen, der nach wie vor Märchen-Freak ist, besticht der Hauffsche Stoff vor allem durch seine Poesie. „Es ist eine kunstvolle Sprache, die alle Generationen anspricht und keineswegs ,tümelt“. Sie vermittelt Moral, ohne den Zeigefinger zu erheben.“ Erzählt wird diese Geschichte übers Kochen, übers Riechen, Schmecken, über ganz alltägliche Dinge. Die Kräuterfee, die Jacob bestraft, weil er sich über eine alte Frau lustig macht, bewirkt am Ende Gutes. „Der Junge erhält eine geniale Ausbildung, mit der er heute sogar Millionär werden könnte“, witzelt Olschok. Er habe sich sehr gefreut über dieses Angebot des Potsdamer Theaters, zumal ihm mit Gertraud Kreißig, Rita Feldmeier, Günter Zschäkel oder Peter Pauli „alte“ Schauspielhasen zur Seite stehen, mit denen er schon des öfteren zusammen gearbeitet hat. „Bei dieser Inszenierung für Kinder gehen Türen auf, die ich bei den Schauspielern noch nie gesehen habe. Man spürt eine andere Verantwortung. Da ist diese Ursprünglichkeit, die man zurück holen möchte, ohne nostalgisch zu werden. Auch die jungen Darsteller sind mit viel Enthusiasmus dabei.“
Olschok geht bei dieser Arbeit nicht anders vor, als bei einer Inszenierung für Erwachsene. „Es geht um Präzision. Aber wie schon Gorki sagte: ,Man sollte für Kinder schreiben wie für Erwachsene. Nur besser.“ Das gilt auch im Theater. Ich will mich den Kindern nicht anbiedern, sondern sie ernst nehmen. Und ich möchte auch keine Antworten geben, wo keine Fragen gestellt werden. Da bin ich eine ganz altmodische Socke. Ich finde Mode im Theater nur in den Kostümen wichtig.“
Bei dieser Inszenierung scheinen sich alle mit ihrem Herzblut zu treffen, denn auch Wolf Butter, der Musiker, warf sich in seiner Wohnküche mit Begeisterung auf die Notenblätter. Es gibt vieles, was ihn mit Olschok verbindet: beide sind Erzgebirgler und offenbar aus einem Holz geschnitzt. „Keiner muss sich dem anderen erklären.“ Auch Wolf Butter meidet in seiner wohl inzwischen 55. Schauspielmusik jede Kindertümelei und es gibt auch keinen Disko-Ersatz, um die Zuschauer bei der Stange zu halten. „Meine Musik ist dem Stück angepasst: sehr poetisch und tänzerisch. Wir haben ein Menuett und einen Tango, aber auch schräge Musik. Denn bei der Verwandlung ins Reich der Fee müssen ja Spannungsfelder aufgebaut werden.“ Da inzwischen Theaterorchester rar geworden sind, begnügt er sich eben mit Geige, Cello und Oboe und glaubt, dass es dennoch nicht ärmlich klingt.
Auch mit Marianne Hollenstein, der Bühnenbildnerin, steht eine Vertraute an Olschoks Seite, mit der er immer wieder gern zusammen arbeitet. Für sie ist das Bühnenbild ein lebendes Gebilde, und wohl schon deshalb läuft kaum eine Probe ohne sie. „Ich will wirkliche Verzauberung und Illusion schaffen“, und so baute sie in den sehr nüchternen Raum ein Portal, das für eine ganz besondere Atmosphäre sorgt. Sie findet die Proben aber auch durch die Arbeitsweise von Olschok spannend. „Er redet nicht viel, sondern spielt vor, was er denkt.“ Denn Olschok ist eben nicht nur ein Regisseur, sondern er stand bis 1990 selbst auf der Bühne. Und auch heute springt er immer mal wieder ein, wenn jemand kurzfristig erkrankt.
Nicht zuletzt sitzt Kostümbildner Joachim Herzog mit im Zwerg-Nase-Boot: „Eine Koryphäe seines Fachs, der schon mit Regisseuren wie Robert Wilson arbeitete. Er bestickt die Kochschürze selbst per Hand.“
Obwohl Herbert Olschok keine Kinder hat, weiß er sehr gut, wie Kinder denken. „Wir sind eine Riesenfamilie und sehr aneinander interessiert.“ Seine Figuren auf der Bühne seien immer unterfüttert mit eigenem Erleben. „Ich muss ein Deja-vu haben.“ Natürlich wird es in seiner Märchen-Inszenierung auch ein bissel Grusel geben. „Das gehört dazu. Ich denke aber nicht, dass jemand rausrennen muss, wie ich als Junge beim Kalten Herz.“ Heidi Jäger
Premiere ist heute um 10 Uhr in der Reithalle A. Die nächste Vorstellung des Kinderstücks ab 6 Jahren ist morgen um 10 Uhr zu sehen.
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