Von Klaus Büstrin: Neues wagen
Christina Schütz macht sich für Popularmusik an Potsdams Kirchen stark
Stand:
Die Vielfalt, die Farben und die Ausdrucksweise der Musik beschäftigen Christina Schütz immer wieder aufs Neue. Es scheint, dass sie überall zu Hause ist – in der Tradition sowie in neuen und zeitgemäßen Ausdrucksformen. Mit ihnen will sie der Musica sacra, der Kirchenmusik dienen. In Potsdams Kirchen macht sich Christina Schütz nun für die Popularmusik stark. Unlängst wurde sie in der Friedenskirche Sanssouci als Kirchenmusikerin mit Schwerpunkt Popularmusik im Kirchenkreis Potsdam von Superintendent Joachim Zehner eingeführt. In diesem Gottesdienst gab sie eine kleine Kostprobe ihres musikalischen Programms, das sie auf hohem Niveau in Potsdam bewerkstelligen möchte.
Aber was ist eigentlich christliche Popularmusik? Ist es eine Art „junge“ Kirchenmusik, klingender Patchwork-Zeitgeist, mit religiösen Verweisen, ästhetisch aufgewertet, versehene Trivialmusik? Wenn man sich auf die Suche nach den Ursprüngen der christlichen Popularmusik begibt, findet man sie in der Begegnung zweier Kulturen: der schwarzafrikanischen und der europäischen Kultur in amerikanischem Verständnis. In diesem Kulturmilieu treffen sich Stammesrituale wie Tänze, das ekstatische Anrufen der Geister, der Einsatz von Trancezuständen und das Spielen mit geweihten Trommeln mit christlichem Monotheismus und seiner Liturgie. Gospels und Spirituals sind die bis heute erhalten gebliebenen Varianten früher christlicher Popularmusik. Die zweite Wurzel ist unter anderen mit der „Jesus Music“ der 1960er und 1970er Jahre verbunden. Mittlerweile sind aber in ihr alle musikalischen Genres des Pop vertreten.
Christina Schütz weiß, dass der Einsatz von „Popularmusik“ bei manchen Christen umstritten ist. Von Skepsis bis Ablehnung reicht die Haltung: Der Zeitgeist wird damit herauf beschworen. Aber Zeitgeist findet man auch bei Liedern früherer Jahrhunderte, bei Martin Luther oder Paul Gerhardt. „Zu allen Zeiten haben Dichter und Komponisten für das Lob Gottes und die Anbetung ihre eigene Sprache gefunden“, so die Kirchenmusikerin. Neue gottesdienstliche Musik will Christina Schütz hörbar machen, sie mehr und mehr heimisch machen. Darum hat sie im Frühjahr einen Popchor gegründet, in dem sich Mitglieder aus allen Kirchengemeinden Potsdams und darüber hinaus einmal in der Woche im Gemeindehaus der Pfingstkirche treffen. Nach den Sommerferien beginnt die nächste Probe-Runde. „Neben dem Bewährten sollten die Gemeinden auch Neues wagen. Mehr Bewegung in den Gottesdiensten täte uns gut. Popularmusik sollte natürlich genauso gut klingen wie traditionelle Kompositionen. Und wenn uns dies gelingt, dann wird der Singende und Zuhörende begeistert sein. Ich habe mich gefreut, dass in unserem Chor nicht nur junge Leute mitsingen, sondern auch Menschen, die längst die Fünfzig überschritten haben.“ Die Kirchenmusikerin konnte bereits gute Erfahrungen sammeln. In Neckarsulm bei Heilbronn hat sie acht Jahre lang überaus erfolgreich einen Gospelchor geleitet.
Unterstützung erfährt die 37-Jährige durch ihren Mann, den Kirchenmusiker Michael Schütz. Seit kurzem ist er Kantor der Trinitatiskirche in Berlin-Charlottenburg, zugleich Dozent für Popularmusik an der Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen. Das Ehepaar bildet auch im Musikalischen ein Duo: Sona Nova. Mit Blockflöten und Klavier werden Barockmusik und Pop, Klassik und Latin, Romantik und Jazz spielerisch und beschwingt verbunden. Man kann es auf einer aktuellen CD hören. 2007 musizierte Sona Nova sogar in der Carnegie Hall in New York. „Musizieren und Singen müssen Spaß machen, sie sollte andere Menschen begeistern und ermuntern, selbst in einem Chor oder Instrumentalkreis mitzuwirken“, ist Christina Schütz‘ Devise. Toll findet sie, dass eine Band aus Caputh ihr angeboten hat, bei Gottesdiensten und Konzert des Popchores mitzuwirken. Während des Einführungsgottesdienstes der Kirchenmusikerin haben beide Ensembles bereits gemeinsam musiziert.
Zu den Aufgaben im Kirchenkreis, bei dem sie eine halbe Stelle hat, gehören auch die Betreuung und die Ausbildung von ehren- und nebenamtlichen Organisten. Für 50 Prozent ist sie in der Nachfolge von Dietrich Schönherr als Kantorin der Gemeinde der Hoffbauer-Stiftung auf Hermannswerder angestellt. Auch dort kann sie sich im Chor und in einem Instrumentalkreis, zu der sich immer mehr Interessierte gesellen, auf Singende und Musizierende verlassen, die das Gotteslob aus verschiedenen Zeiten und in musikalischen Farben zum Besten geben wollen.
Christina Schütz studierte an der Universität der Künste Berlin Kirchenmusik. Von vielen Facetten ist ihre musikalische Laufbahn bestimmt. Als Kantorin war sie unter anderen in der märkischen Stadt Gransee tätig, leitete das Kammerorchester Ensemble Deciso Berlin mit den Schwerpunkten Barock und Frühklassik, fühlte sich aber auch als Theatermusikerin wohl. Für die Uckermärkischen Bühnen Schwedt hat sie mehrmals Musik zu Schauspielen geschrieben. So zu Goethes Faust. Aber auch für die musikalischen Einstudierungen war sie zuständig und stand selbst auf der Bühne, wenn es hieß: ohne Livemusik könne die Inszenierung nicht laufen.
Wer im Popchor singen möchte, meldet sich unter Tel.: 0160 96 26 19 47
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: