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Mit Potsdam ein Neuanfang. Joachim Walter an seinem neuen Wirkungsort, der Friedenskirche Sanssouci.

©  Manfred Thomas

Kultur: Neugierde und hohe Erwartungen

Der 48-jährige Joachim Walter ist der neue Kantor an der Friedenskirche Sanssouci

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Mit der Woehl-Orgel war er bereits vor seinem Dienstantritt relativ gut vertraut. Als bekannt wurde, dass Joachim Walter neuer Kantor und Organist der Friedenskirche Sanssouci, also Nachfolger von Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob werden sollte, wurde er von dem künstlerischen Leiter „Musik an der Erlöserkirche“, Ud Joffe, eingeladen, bei der Vocalise 2013 mitzuwirken. Mit dem Neuen Kammerorchester Potsdam musizierte er dann am Reformationstag das Orgelkonzert des Franzosen Francis Poulenc. Hörer und Presse bescheinigten dem designierten Kantor einen eindrucksvollen musikalischen Einstand. Ende Dezember zog er von Preetz, bei Kiel gelegen, in die brandenburgische Landeshauptstadt, um Anfang des Jahres seine Stelle anzutreten.

In der Orgellandschaft Potsdams nimmt die „Königin der Instrumente“ in der Friedenskirche einen exponierten Stellenwert ein. „Sie bietet dem Organisten die Möglichkeit, wie ein Dirigent eines großen Sinfonieorchesters mit den Klangfarben der 48 verschiedenen Register interpretierend-gestalterisch zu agieren“, sagt Joachim Walter. „Habe ich in den vergangenen Jahren vor allem Orgelmusik der Barockzeit und der Romantik gespielt, so möchte ich mich in der kommenden Zeit verstärkt mit den Spätromantikern und der Moderne, vor allem aus Frankreich, beschäftigen. Das Instrument in der Friedenskirche ist geradezu prädestiniert, sinfonische Orgelwerke zu musizieren.“

Zurzeit ist Joachim Walter dabei, das vielfältige kirchliche, kirchenmusikalische und kulturelle Leben Potsdams kennenzulernen. „Da gilt es aufmerksam zuzuhören und von den Erfahrungen und Erkenntnissen der Menschen, die ich begegne, zu lernen und diese in meine Arbeit einfließen zu lassen.“ Als sechster Kantor der Friedenskirche seit ihrer Einweihung 1848 wird Joachim Walter das reiche kirchenmusikalische Leben an diesem Gotteshaus weiterführen und natürlich mit eigenen Akzenten beleben. „Ich wäre schlecht beraten, wenn ich die erfolgreichen Reihen, die es hier seit Jahren gibt, nicht weiterführen würde“, sagt der Kirchenmusiker. „Auf den Internationalen Orgelsommer freue ich mich sehr, denn die Angebote von Organisten aus aller Herren Länder hier zu musizieren, sind groß. Dabei spüre ich sehr wohl, dass das Festival eine überregionale Akzeptanz besitzt.“ Zwölf Konzerte werden in den Sommermonaten in der Friedenskirche sowie alternierend in der Erlöserkirche wieder stattfinden Auch die konzeptionellen und organisatorischen Vorbereitungen zu den „Dornenzeit“-Veranstaltungen im März und im April sowie den Sommermusiken laufen derzeit auf Hochtouren.

Kantor zu sein bedeutet auch für Joachim Walter, in erster Linie mit der Musik die gute Botschaft Gottes zu verkündigen, die Vielfalt der Musica sacra erklingen zu lassen. Dazu gehört natürlich die musikalische Gestaltung von Gottesdiensten, bei denen auch die Kantorei der Friedenskirche mit von der Partie ist. Insgesamt treffen sich rund 180 Gesangsbegeisterte aus Potsdam und darüber hinaus in drei Chören – Kantorei, Oratorienchor und Vocalkreis – an drei Abenden in der Woche im Friedenssaal, dem Gemeindezentrum der Friedenskirche, zum gemeinsamen Singen.

Die Aufführungen von Oratorien haben in dem Gotteshaus im Park Sanssouci eine lange und gute Tradition. Mit ihnen verbinden sich unauslöschliche Eindrücke. Der Oratorienchor Potsdam ist seit nunmehr 57 Jahren ein engagierter Sachwalter der Klangwelt chorsinfonischer Werke. In den ersten Proben hatte das gegenseitige Kennenlernen von Kantor und Chormitgliedern Priorität. Natürliche Neugierde und hohe Erwartung gehörten dazu. Mit aller Intensität wird an einem höchst anspruchsvollen musikalischen und geistigen Vorhaben gearbeitet, an der Interpretation der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach am Samstag vor Palmarum in der Friedenskirche. „Ich bin froh, dass der Oratorienchor erst vor drei Jahren das Werk zu Gehör brachte. Somit brauchte ich mit der Einstudierung nicht bei null anzufangen. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam, der Chor, Solisten und die Kammerakademie Potsdam, eine Aufführung zu Gehör bringen können, die die Hörer zutiefst bewegt.“ Eine gute Woche später, am Karfreitag-Nachmittag, wird der Vocalkreis Potsdam zum Gedenken an die Sterbestunde Jesu A-cappella-Werke zu Gehör bringen und mit ihnen seine besonderen Kammerchor-Qualitäten wieder unter Beweis stellen.

Mit den Aufgaben eines Kantors ist Joachim Walter schon lange vertraut. Zunächst war er in der Luther-Melanchthon-Gemeinde in Lübeck tätig, nach 14 Jahren wechselte er an die Stadtkirche in Preetz. Dort wirkte er mehr als acht Jahre. Das Musizieren mit dem Stadtkirchenchor, mit dem er auch große Oratorien aufführte, die Kinder- und Jugendchöre, die Arbeit mit den Bläsern der Gemeinde, die zahlreichen Orgelkonzerte, die er organisierte und in denen er selbst spielte, haben den Kirchenmusiker gefordert. Alles lief gut in Preetz, aber er wollte noch einmal neu beginnen. „Da kam mir Potsdam gerade recht“, bekennt der 49-Jährige, der seine Wurzeln im Württembergischen hat, in Lübeck Kirchenmusik studierte und im schwedischen Göteborg ein Doktoratsstudium am dortigen Institut für Musikwissenschaften der Universität absolvierte. Die romantische Registrierungspraxis auf einer repräsentativen Großorgel des 19. Jahrhunderts gehörte zu Walters Forschungsgebiet. Er machte in der Musikbibliothek der St. Marienkirche Lübeck auch so manche kostbare Entdeckung von unbekanntem Notenmaterial. Ihm war es wichtig, mit dem Erforschten selbst in die Praxis zu gehen und die Stücke vorzustellen. In Konzerten und auf CDs präsentierte der promovierte Kirchenmusiker Orgelmusik vom Feinsten. Die Spannung auf interessante kirchenmusikalische Begegnungen mit Joachim Walter steigt.

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