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Zum Herzen der Musik. Radek Wegrzyn, Regisseur von „Violinissimo“.

© M. Thomas

Kultur: Nicht ohne Höchstleistung

„Violinissimo“: Ein Film über Sieger und Verlierer

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Öfter mal zum Dokfilm gehen, ins Thalia-Kino. Da ist noch keiner dümmer wieder rausgekommen. Aktuelle Option: „Violinissimo“, ein abendfüllender Streifen über die Freuden und Leiden des musikalischen Nachwuchses bei der für ihn größtmöglichen Herausforderung, dem Internationalen Joseph-Joachim-Violin-Wettbewerb, der alle drei Jahre in Hannover stattfindet. Hier hat eine Jury unter 35 Bewerbern die vermeintlich besten herauszufinden. Die Sieger bekommen nicht nur eine Menge Geld, ihnen öffnen sich auch so manche Möglichkeiten der Karriereleiter.

Auch das Dreh- und Autorenpaar Radek Wegrzyn und Stephan Anspichler hatte für „Violinissimo“ eine Auswahl zu treffen. Warum man sich für das „Wunderkind“ Clara aus Südkorea, für Solenne aus Frankreich und den Israeli Itamar entschied, erfuhr man nach der Potsdam-Premiere am Sonnabend beim Filmgespräch mit Radek Wegrzyn. Alle sind über 20, alle wollen den bestdotierten Musikwettbewerb seiner Art gewinnen, doch keiner schaffte im Drehjahr 2009 einen Ersten Preis. Was also? Die Filmleute interessierten sich weniger für den künstlerischen Ehrgeiz im Einzelnen als für die Brüche in ihren Biografien. Nicht nur, dass sie alle einen guten Teil ihrer Kindheit und Jugend der Musik geopfert hätten, jeder hatte auch einen sehr schmerzhaften Stopp in der Karriere.

Während der Film die Abläufe der kleinen und immer größer werdenden Finals vor und hinter der Bühne zeigt, reden die Künstler im Filmporträt auch ganz offen über sich. Bei Clara war es der Vater, der sie in diese Laufbahn drängte, bis ihr, noch gar nicht so lange her, beim Sport der kleine Fingerknochen in zehn Stücke zerbarst und niemand wusste, ob sie je wieder Geige spielen kann. Solenne musste zur musikalischen Fortbildung viel zu früh für ein Jahr nach London. Die Folge war ein rabenschwarzes Burn-out. Der Israeli aber stand vor der Frage, wie sein Karriereweg, das tägliche Üben, mit dem Alltag seines dreijährigen Militärdienstes zu vereinbaren sei. Sie alle fanden im Nachhinein diesen elementaren Bruch im Leben als sehr lehrreich, er habe sie „am meisten weitergebracht“.

Der Film hält künstlerische und emotionale Höhepunkte beim Bühnenspiel bereit, Studien richtig beseelter Gesichter nach vollbrachter und anerkannter Leistung, gegenseitiges Aufmuntern hinter der Bühne, als Clara glaubt, sie habe geradezu scheußlich gespielt: „Der Komponist ist da – er wird mich hassen!“

Man verlangt ja von den „Examinanden“ bereits Höchstleistungen und Sicherheit quer durch die Pflichtliteratur, die von Bach und Brahms bis in die Klangwelten der Gegenwart reicht. Itamar verbarg seine Enttäuschung nach dem Aus im Halbfinale nur schwer, aber gleich drauf sah man ihn in der JVA Celle vor Häftlingen spielen, Solenne in einem Heim für Autisten. Auch das gehört zu dem Wettbewerb. Es gehe eigentlich gar nicht um das Siegen, verriet Vater Wegrzyn im Film, letztlich sei die Jurierung ganz individueller Leistungen „ein Unding“. Und dass künstlerische Höchstleistung allein noch nie einen Weltstar hervorgebracht hat, denn neben dem Musikalischen müsse man auch fit genug sein, mindestens fünfzig Konzerte pro Jahr rund um die Welt samt Reisestress durchstehen zu können.

Dieser tolle Film führt den Zuschauer also direkt zum Herzen der Musik. In die Seele der Spieler. Respekt für diese Auswahl, Thalia-Team! Gerold Paul

„Violinissimo“ bleibt vorerst im Spielplan des Thalia

Gerold Paul

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