Kultur: „Nie wieder Krieg“ im Defa-Film Neue Foyer-Ausstellung
im Filmmuseum eröffnet
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Die Auseinandersetzung mit dem Nazideutschland war der Defa sozusagen in die Wiege gelegt. 1946 wurde die Babelsberger Filmfabrik offiziell gegründet, die Ursprünge reichen bis in das letzte Kriegsjahr zurück. Kein Wunder also, dass sich die Filmschaffenden der DDR von Anbeginn mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigten: sei es aus unmittelbar persönlichem Erleben, sei es in dem Auftrag der politischen Aufarbeitung der Kriegsjahre. Öfters wurden literarische Vorlagen aufgegriffen, wie etwa „Jakob der Lügner“ (1975) von Jurek Becker, häufig waren es aber auch persönliche Erlebnisse, die Autoren und Regisseure in Filmen verarbeiteten. Konrad Wolfs 1968 gedrehter Film „Ich war neunzehn“, mit dem am Donnerstagabend im Filmmuseum die Foyer-Ausstellung „Nie wieder Krieg“ eröffnet wurde, trägt stark autobiografische Züge.
Wie die Hauptfigur, Gregor Hecker, war auch Konrad Wolf als Kind mit seinen Eltern 1934 in die Sowjetunion emigriert und als 19-jähriger Soldat der Roten Armee im April 1945 nach Deutschland zurückgekehrt. Sein filmisches Alter Ego wird in vielen episodenhaft dargestellten Begegnungen mit seinen ehemaligen Landsleuten und deren unterschiedlichen Positionen konfrontiert. Entgegen der propagandistischen Betrachtungsweise macht der Film deutlich, dass nicht alle Deutschen jene Tage mit dem Gefühl erlebten, befreit worden zu sein. Mehr noch: mit der Figur eines deutschen Flüchtlingsmädchens, das mit dem Satz „Lieber mit einem als mit jedem“ bei Gregor um Hilfe bittet, wird erstmals in einem Defa-Film auch die verdrängte Thematik der Vergewaltigungen durch russische Soldaten angesprochen.
In der Foyer-Ausstellung, die Originalplakate sowie Szenen- und Werkfotos zu den insgesamt zehn ausgewählten Filmen aus der Zeit von 1946 bis 1991 zeigt – etwa „Die Mörder sind unter uns“, „Der Fall Gleiwitz“, „Die Abenteuer des Werner Holt“ –, machen kurze Infotexte nachvollziehbar, wie das künstlerische Ergebnis teils mit den parteioffiziellen Auffassungen über die Darstellung der jüngeren Geschichte kollidierte. So wollte auch Konrad Wolf den Vergewaltigungskomplex in seinem Film ursprünglich ausführlicher anreißen, musste ihn aber auf Weisung Anton Ackermanns, des Leiters der Hauptverwaltung Film im DDR-Kulturministerium, in nur einer einzigen Filmfigur verdichten. Auf der anderen Seite legitimiert Konrad Wolf jedoch die sowjetische Präsenz, entsprechend den in der DDR schon früh einsetzenden Versöhnungsstrategien, wie Filmmuseumsleiterin Ursula von Keitz in ihrer Einleitungsrede festhält. Daniel Flügel
Daniel Flügel
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