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Kultur: NOTFORUS

Monica Bonvicinis leuchtender Schriftzug NOTFORYOU am Alten Markt

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„NOTFORYOU“ – „Nicht für Dich/Sie/Euch“ – leuchtet für vier Wochen ein Lichtband alle jene an, die über die Lange Brücke in die Innenstadt kommen. Am Sonntag Abend wurde es mehr oder weniger feierlich angeknipst. Der Schriftzug kennt vier Zustände: aufgeregtes Flackern, ein Durchlaufen, an und aus. Es handelt sich um den Beitrag der italienischen, seit zwanzig Jahren in Berlin arbeitenden Künstlerin Monica Bonvicini, Preisträgerin des Preises der Nationalgalerie für Junge Kunst 2005. Die Arbeit war eigentlich Teil des jährlichen Kunstfestivals „Rohkunstbau“ im Brandenburgischen Groß Leuthen. Nun, zur Umsetzung an den Alten Markt, eingefädelt und finanziert von der Initiative „Kulturland Brandenburg“, steht der ungefähr drei Meter lange und einen halben Meter hohe Schriftzug knapp unter einem großen Essigbaum. Zur Inbetriebnahme sind nicht mehr als 25 Personen gekommen.

Die wörtliche Bedeutung des leuchtenden Satzes trifft auch auf die Liste der angekündigten Prominenz zu, und beweist vorab das ironische Vermögen der Aussage. „Not for you“, also „nicht für die Anwesenden“ angetreten waren die Künstlerin selbst, der Ministerpräsident Platzeck, Kulturministerin Wanka und Oberbürgermeister Jakobs. Schließlich war Wahlsonntag in Berlin. Stattdessen würdigten Arvid Boellert von Rohkunstbau, der Abteilungsleiter des Ministeriums Cornell und Kulturland-Chefin Faber-Schmidt mit kurzen Ansprachen und die Kulturbeigeordnete Fischer mit ihrer Anwesenheit den Anlass.

Die kleine Versammlung neben dem blinkenden Wort führte eindrucksvoll vor, das Kunst nicht nur räumlich eingebettet werden muss, sondern zunächst auch gesellschaftlich. Eine autoritäre Erklärung, eine präsidiale Weihung, sozusagen von höchster Stelle, hätte der Installation gut getan. Kunst im sozialen Raum braucht unter Umständen eine solch stützende Hervorhebung, wenn sie nicht von selbst bestehen kann. Sonst droht sie, zur Parodie und Farce abzurutschen.

Die Gefahr ist vorhanden, denn Bonvicinis Arbeit konnte am Groß Leuthener Schloss ganz anders funktionieren als nun in der Mitte von Potsdam. Es wäre nicht das erste Mal, dass die schiere Fläche des Platzes und die Körper von Nikolaikirche, Blechbüchse und Fachhochschule ein Kunstwerk erdrücken.

Im malerischen Groß Leuthener Wasserschloss, ziemlich genau 100 Kilometer von Potsdam entfernt, schufen in diesem Sommer zwölf renommierte Künstler Arbeiten zum übergeordneten Thema Freiheit. Bonvicini, „derzeit international eine der gefragtesten, meist rezensierten und umworbensten Künstlerinnen“ (Pressetext Kulturland), verzichtete dabei bewusst auf die Ausgestaltung einer der Schlossräume. Sie ließ ihn „frei“ und setzte ihren leuchtenden Kommentar unter den „freien“ Himmel. Die Textzeile stand auf dem Terrassengeländer des Wasserschlosses, und leuchtete in die beschauliche Seenlandschaft hinaus.

Der Schriftzug hat mit der Umsetzung vom Seeidyll auf den städtischen Platz nun eine Bedeutungsverlagerung zu verkraften. Die Größenverhältnisse und damit auch die moralischen und ironischen, d.h. künstlerischen Proportionen, haben sich völlig geändert. Der Leuchtspruch auf dem steinernen Gesims des Wasserschlosses wirkte noch wie ein monumentaler Fremdkörper im Blick über den See. Er sandte seine Verbotsbotschaft als Licht in die dunkle Natur. Moral drang unerwartet und mächtig in einen Naturzustand ein.

Am Alten Markt funktioniert das nicht mehr. Weil Leuchtbotschaften im Stadtbild für den Betrachter weit weniger ungewöhnlich sind, und weil die Winzigkeit des Spruches gegenüber dem Gesamtmaß des Platzes unfreiwillig komisch erscheint. Es wirkt wie die eingenähte Pflegeanleitung in einem viel zu großen Kleidungsstück. Ohne Autorität. Hier wären statt drei dreihundert Meter Lichterglanz nötig gewesen, um – wie beabsichtigt – die vielfältige und strittige Geschichte des Stadtschlossplatzes zu kommentieren. Ob, wie Boellert von Rohkunstbau erwartet, Bonvicinis Werk so tatsächlich Diskussionen über „das beklemmende und gewaltsame Potenzial von Architektur“ (Pressetext) auslösen kann? Oder steht hier nicht eher die Botschaft der Werbung für „Rohkunstbau“ und „Kulturland“ im Vordergrund? Der trockene Kommentar „Genau das fehlt uns noch!“ von einem der wenigen Bürger, der zur Einweihung erschienen war, deutet jedenfalls auf ein ganz wörtlich gemeintes „Nicht für uns“ hin.

Matthias Hassenpflug

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